Lidl bietet Glühwein für 1.50 Franken an – das sorgt für Kritik. Denn für Menschen mit Alkoholproblem ist das problematisch.
Glühwein im Lidl Bern Bahnhof
Ein Liter Glühwein für gerade mal 1.50 Franken – für Suchtkranke ein Problem. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Discounter Lidl verkauft seinen Vorzeige-Glühwein für 1.50 Franken pro Liter.
  • Für Suchtkranke kann dies zu einem grossen Problem werden, so das Blaue Kreuz.
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1.50 Franken für einen Liter Glühwein – diese Aktion gibt es derzeit beim Discounter Lidl am Bahnhof Bern. Das stösst dem Blauen Kreuz sauer auf. Einer Organisation, die Menschen mit Alkoholproblemen zur Seite steht.

«Anderthalb Franken für einen Liter Glühwein ist absolut jenseits von Gut und Böse.» So kritisiert Ruedi Löffel, Bereichsleiter Prävention und Gesundheitsförderung, die Aktion gegenüber Nau.ch.

Grund: Menschen mit Alkoholproblemen seien wirtschaftlich oft nicht sehr gut gestellt. «Deshalb ist klar, dass sie mit Billigst-Angeboten besonders angesprochen werden.»

Sollte gegen Billig-Alkohol vorgegangen werden?

Auch junge Menschen hätten kein dickes Portemonnaie und würden solche Aktionen gerne annehmen – «mit den entsprechenden negativen Folgen».

Blaues Kreuz: «Fetter Gewinn zulasten von Gesundheit»

Besonders problematisch ist laut Löffel der Standort der Lidl-Filiale. Gerade in der kalten Jahreszeit seien rund um den Bahnhof Bern mehr Randständige mit Suchtproblemen anzutreffen. Dass Alkohol-Aktionen dort nicht problemlösend wirken, «versteht sich von selbst», heisst es.

Tatsächlich zeigt ein Blick vor Ort: Vor der Filiale sitzt ein bedürftiger Mann mit genau so einer Flasche am Boden.

Passanten erwärmen sich mit einem Glühwein.
Glühwein gibt es nicht nur selbstgemacht oder an Weihnachtsmärkten...
Jägerbäckerei
Auch in der Flasche kann man ihn kaufen.
lidl
Beim Discounter Lidl sogar für keine 1.50 Franken pro Liter.
Weingläser und Weinflasche
Das sieht das Blaue Kreuz Schweiz problematisch.
tinder
Alkoholiker würden dadurch schneller zur Flasche greifen.

Leider seien solche Billigst-Alk-Angebote nichts Aussergewöhnliches. Verschiedene Discounter hätten sich darauf spezialisiert, Alkohol wie Glühwein in grossen Mengen zu sehr günstigen Preisen zu vermarkten, so Ruedi Löffel. Der Sucht-Experte sagt: «Sie erzielen damit offenbar fette Gewinne – zulasten der Volksgesundheit und des Jugendschutzes.»

Das bestätigt auch Sucht Schweiz. «Wir haben errechnet, dass 50 Prozent des Umsatzes der Alkoholindustrie mit zwei Dritteln der problematisch Konsumierenden erzielt wird.»

Löffel sieht ein Problem im freien Markt. «Gewinn privatisieren – Folgeschäden sozialisieren», laute hier das Motto.

Lidl: Kauf-Entscheidung liegt in Eigenverantwortung

Lidl erklärt auf Anfrage, dass grundsätzlich in allen Filialen dasselbe Sortiment angeboten werde. «Unsere Preisgestaltung erfolgt hierbei im Rahmen eines wettbewerbsorientierten Marktes», so Lidl-Sprecher Sandro Kissayi zum Aktionspreis des Glühweins. Zeitgleich werde mit dem alkoholfreien Feldschlösschen Bier auch eine vergünstigte alkoholfreie Alternative angeboten, so Kissayi.

«Wir setzen uns aktiv für einen kontrollierten Alkoholverkauf in Bezug auf Jugendschutz ein und führen regelmässige Alkoholtestkäufe durch», so Lidl. Doch auch wenn alkoholfreie Alternativen angeboten werden – die finale Kauf-Entscheidung durch die Kunden erfolge im Rahmen der Eigenverantwortung.

Migros als positives Beispiel

Ganz anders bei der Migros, wo der Einstieg in den Alkoholmarkt zur Debatte stand.

«Hier haben die Genossenschafterinnen und Genossenschafter ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen und das Vorhaben mit sehr klarer Mehrheit verhindert», so Löffel.

Ansonsten stelle der Detailhandel den Gewinn aber über alles. Also müsse die Politik entsprechende Rahmenbedingungen formulieren, fordert er.

Doch Löffel sieht schwarz: «Leider geniesst der Alkohol(missbrauch) in der Schweiz den Status einer heiligen Kuh.» Präventive und gesundheitsfördernde Massnahmen hätten bei den politischen Mehrheiten selten eine Chance.

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Brauchen Sie Hilfe?

Sind Sie selbst depressiv oder haben Sie Suizidgedanken? Dann kontaktieren Sie bitte umgehend die Dargebotene Hand (www.143.ch).

Unter der kostenlosen Hotline 143 erhalten Sie anonym und rund um die Uhr Hilfe. Die Berater können Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen. Auch eine Kontaktaufnahme über einen Einzelchat oder anonyme Beratung via E-Mail ist möglich.

Bei Suchtproblemen hilft Sucht Schweiz (www.suchtschweiz.ch) und bei Problemen mit Alkohol das Blaue Kreuz (www.blaueskreuz.ch).

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