Verein Bär & Leu braucht Gotti und Göttis für Ukraine-Hilfe
Was als spontaner Deutschunterricht für Geflüchtete begann, ist heute eine starke Hilfsbewegung für die Ukraine. Ein Interview mit Fabienne Wagner.

Mitten im Ukraine-Krieg begann Fabienne Wagner ehrenamtlich Deutschkurse für ukrainische Geflüchtete zu geben.
Daraus wuchs eine enge Verbundenheit und eine beeindruckende Hilfsaktion: Unter dem Namen ZusammenRazom.ch wurden Spenden gesammelt und ganze Garagen mit Hilfsgütern gefüllt.
Heute, mit starken Partnern wie Bär & Leu an ihrer Seite, organisiert der Verein medizinische Hilfslieferungen in die Ukraine.
In Grosshöchstetten steht ein vollgepacktes Lager bereit, aber das Geld für die Transporte fehlt. «Wir brauchen Gotti und Göttis, die mithelfen, die nächste Lieferung zu finanzieren», betont sie im Interview mit dem BärnerBär. «Trotz Spendenmüdigkeit ist die Not in der Ukraine grösser denn je.»
BärnerBär: Was hat Sie persönlich motiviert, sich für Menschen in der Ukraine zu engagieren?
Fabienne Wagner: Teilen war für mich schon immer selbstverständlich, ich war auch schon fürs «Friedensdorf International» tätig. Denn uns hier geht es gut: Wir leben auf der sicheren Seite der Welt, weich gebettet in einem sozialen, demokratischen Staat, wählen täglich unser Essen, und haben schlichtweg einfach grosses Glück.
Deshalb möchte ich etwas zurückgeben. Mit erwachsenen Kindern und einem 60-Prozent-Pensum hatte ich genug Zeit für ein Ehrenamt. Kurz nach Kriegsbeginn meldete ich mich deshalb bei Helpnet Frutigland und bot einen halben Tag pro Woche an. Schon bald unterrichtete ich als Deutschlehrerin. Ein direkter Beitrag zur Integration, der sinnvoll war und mir Freude machte.

Info
Bär & Leu
Der Verein hilft den Menschen direkt in der Ukraine, die dort mit Krieg und einer humanitären Katastrophe konfrontiert sind.
Zurzeit sind viele Hilfsgüter vorhanden, aber es fehlt an Geld für den Transport, insbesondere bräuchte es Benzin/Diesel und Chauffeure.
Wer hierbei helfen kann und möchte: https://zusammenrazom.ch/wirkung-2/
BärnerBär: Wie hat sich Ihr Engagement seither verändert?
Fabienne Wagner: Anfangs habe ich Deutschunterricht vorbereitet, mit Fokus auf Alltagsthemen, die sofort anwendbar sind. Kurz darauf kamen die Hilfslieferungen dazu, die ich parallel betreute. Heute liegt mein Schwerpunkt auf der Organisation: Ich beschaffe Spenden, bedanke mich, verschicke Fotos, halte Rücksprache und koordiniere die Transporte mit unserem Lager.
Diese eher administrative Arbeit mache ich nach Feierabend, oft bis spät in die Nacht. Manchmal träume ich von einem Integrationscafé mit Bibliothek – als Treffpunkt für Austausch, Anliegen und Sprachpraxis. Aber ja, wie soll das finanziert werden?
BärnerBär: Welche Reaktionen erhalten Sie von den Empfängern der Hilfsgüter in der Ukraine? Gibt es ein Beispiel, das Ihnen besonders nahegegangen ist?
Fabienne Wagner: Eine normale Tafel Schokolade habe ich noch nie gespendet bekommen, aber regelmässig mehrere Kisten handgemachter Matterhorn-Schokolade von Philipp Fuchs aus Zermatt. Wunderschön verpackt, ein Vielfaches teurer als Supermarktschokolade und einfach geschenkt. Für die Menschen in der Ukraine ist so etwas wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag an einem Tag.
Auch wenn es die Lage nicht verändert, macht es etwas mit ihnen. Ähnlich berührend war eine Spende bunter Motivsocken. Dazu sagte eine Empfängerin: «In dem ganzen Elend fühlten wir uns als Menschen.» Das ging mir nahe. Wegen Putin hat das Leben dieser Menschen eine ganz andere Wendung genommen.
BärnerBär: Wie wird sichergestellt, dass die Hilfe an den richtigen Ort kommt?
Fabienne Wagner: Wir arbeiten mit langjährigen, verlässlichen Partnern, darunter auch Familienangehörige ukrainischer Flüchtlinge hier vor Ort sowie einem Logistiknetzwerk, das wir seit Jahren kennen. Vertrauen ist bei dieser Arbeit absolut zentral. Unsere Partner vor Ort melden konkrete Bedürfnisse.
Wir versuchen, diese gezielt zu decken. Ist die Lieferung einmal in der Ukraine, wissen unsere Kontakte genau, wo was gebraucht wird. Trotzdem bleibt die Logistik ein sensibles Thema. Wichtig ist mir: Wir horten nichts. Ein volles Lager stört mich, denn alles soll möglichst rasch weitergegeben werden. Jeder einzelne Artikel kommt letztlich jemandem zugute. Das zählt. Einen Wasserkopf gibt es bei uns nicht, wir arbeiten alle ehrenamtlich.
BärnerBär: Wie erleben Sie aktuell die Spendenbereitschaft?
Fabienne Wagner: Die Menschen sind kriegsmüde, sie wollen endlich positive Nachrichten, aber es braucht überall Geld. Deshalb ist das für mich ein Grund, weiterzumachen und nicht aufzugeben. Es ist halt einfach alles schwieriger geworden.
BärnerBär: Wie ist die Situation vor Ort? Was fehlt derzeit am dringendsten?
Fabienne Wagner: Jede Familie ist vom Krieg betroffen. Viele haben Angehörige an der Front, oder solche verloren. Junge Menschen sind schwer verletzt, tragen Prothesen nach Drohnenangriffen. Und das alles… wofür? Unserem Team sagte man: «Geht nach Hause, erzählt, was ihr gesehen habt, und vergesst uns nicht.» Der Bedarf ist riesig, aber nicht überall gleich.
Für Sachspenden haben wir eine Einkaufsliste, abgestimmt auf alle gängigen Supermärkte. So können wir Gleiches bündeln und effizient verpacken. Was weniger hilft: willkürliche Einkäufe. Dabei wird oft viel Geld ausgegeben – für Produkte, die nicht gebraucht werden. Helfen bedeutet auch, das Richtige zu spenden.

BärnerBär: Sie erwähnten es oben – das Lager ist voll, aber es fehlt an Geld für den Transport, insbesondere für das Benzin. Wie teuer ist denn so ein Transport?
Fabienne Wagner: Je nach Zielort kostet ein Transport zwischen 4000 und 4500 Franken. Deshalb helfen uns Geldspenden derzeit am meisten. So kann ich gezielt einkaufen.
BärnerBär: Warum ist es gerade jetzt so wichtig, nicht nachzulassen und weiterhin Hilfe zu leisten?
Fabienne Wagner: Die Lage spitzt sich weiter zu. Russland hat sein gesamtes Land auf Krieg ausgerichtet – die Waffenproduktion läuft im Inland, Soldaten erhalten hohe Abfindungen, ebenso ihre Familien. Der Druck wächst. Friedensgespräche sind aus unserer Sicht reine Alibiübungen.
Ein Signal an den Westen, mehr nicht. Solange Putin an dieser Haltung festhält, ist kein Frieden in Sicht. Wir im Vorstand stellen uns auf weitere zwei bis drei Jahre ein.