Marzili: Anlagechef spricht über Aarebötler und Rettungs-Biber
Seit 2013 ist das Marzili der Arbeitsplatz von Anlagechef Beat Wüthrich und seinen rund 24 Mitarbeitenden. Er erzählt aus seinem reichen Erfahrungsschatz.

BärnerBär: Beat Wüthrich, wie war die bisherige Saison 2025?
Beat Wüthrich: Nach der Saisoneröffnung am 10. Mai zeigte sie sich wettermässig noch verhalten. Aber ich war deswegen nicht unglücklich, wir hatten so noch etwas Luft zur Vorbereitung und Einführung neuer Mitarbeitender.
Aber anfangs Juni kam der Sommer mit voller Wucht und «äs het gräblet». Wir hatten an einzelnen Tagen gegen 20 000 Badegäste im Marzili, das war schon beeindruckend.
BärnerBär: Was fasziniert Sie dermassen an Ihrem Job?
Beat Wüthrich: Es ist die Vielseitigkeit, kaum ein Tag ist wie der andere. Ich halte mich viel an der frischen Luft auf, habe laufend Kontakt mit verschiedensten Menschen, befasse mich mit der Technik, aber auch mit der Administration.
Der Beruf vereint mehrere Funktionen: Psychotherapeut, Mediziner, Mechaniker, Analyst. Und ganz wichtig: Man muss die Menschen mögen. Eine introvertierte Person wäre hier auf verlorenem Posten!
BärnerBär: Sie waren früher Badmeister im Wylerbad und sind seit zwölf Jahren Anlagenchef im Marzili. Was hat sich in diesen Jahren verändert?
Beat Wüthrich: Viel! Früher galt der Badmeister noch als Respektsperson und die Gäste befolgten ohne zu murren seine Anweisungen, was heute nicht immer der Fall ist. Aber auch wir als Marzili-Mitarbeitende sind gefordert. Es nicht angebracht, einfach «kraft unserer Funktion» autoritär zu handeln.
Kenntnisse und Erfahrung der zwischenmenschlichen Kommunikation, aber auch Fingerspitzengefühl und gesunder Verstand sind wirkungsvoller, was ich als positive Entwicklung werte. Weiter hat es mehr Freizeitangebote, der Besuch im Marzili ist bloss noch eine Abwechslung unter vielen.
Persönlich
Beat Wüthrich wurde 1977 geboren und wuchs in Fraubrunnen und Bern auf. Der gelernte Metzger arbeitete u. a. in einer Grossmetzgerei in Bern und im Sicherheitsdienst der US-Botschaft, bevor er 2013 vom Sportamt der Stadt Bern als Anlagenchef und Badmeister des Freibades Marzili angestellt wurde. Er absolvierte erfolgreich die Berufsprüfung zum «Fachmann für Badeanlagen mit eidgenössischem Fachausweis». Beat Wüthrich hat drei Kinder und wohnt in der Länggasse in Bern.
Die Kommunikation hat sich verändert, sie findet heute weitgehend übers Handy statt. Der Individualismus bis hin zum Egoismus hat den Gemeinschaftssinn verdrängt, was ich bedauere. Auch die Abfalldisziplin hat abgenommen, vieles bleibt einfach liegen. Wir haben Wochen, wo bis zu zehn Tonnen Abfall entsorgt werden!
BärnerBär: Verraten Sie uns Anekdoten und Kuriositäten aus Ihrem Alltag!
Beat Wüthrich: (Lacht) Ich beschäftigte einmal einen Studenten an der Kasse, der wollte den in der Nähe angesiedelten Biber als Rettungsschwimmer «ausbilden». Dem gaben wir den Spitznamen Biber.
BärnerBär: Wie hat er das angestellt?
Beat Wüthrich: Es war Tradition, dass wir nach der Schliessung des Bades abends mit der Belegschaft noch einen Aareschwumm unternahmen. Der Biber wartete jeweils bei der Einstiegstreppe und schwamm dann in sicherem Abstand mit uns bis zur Ausstiegsstelle.
Der Mitarbeiter wollte ihn zum Rettungsschwimmer trainieren, was natürlich misslang! Den Biber nannten wir Justin, in Anlehnung an den kanadischen Pop-Star Justin Bieber.

Eine weitere Begegnung: Vor einigen Jahren schwamm ich mit einer berühmten Popsängerin in der Aare, ohne sie erkannt zu haben. Diese fragte mich scheu, ob ich jemanden kenne, der sie auf einem Aareschwumm begleiten würde.
Ich sagte spontan zu, schwamm mit und erfuhr erst später, dass es sich um die amerikanische Pop-Rock-Sängerin, Schauspielerin und mehrfache Grammy-Preisträgerin Pink handelte!
Leider gibt es auch traurige Erlebnisse im Zusammenhang mit der Aare. Ich erinnere mich an einen ausländischen Touristen, den ich zufälligerweise beobachtete, wie er vom Schönausteg in die Aare sprang.
Ich realisierte bald, dass er gar nicht schwimmen konnte und versuchte ihn zu erreichen, auch mit anderen Aareschwimmern zusammen. Aber vergeblich, er blieb verschwunden und konnte erst zwei Tage später beim Schwellenmätteli nur noch tot geborgen werden.
BärnerBär: Was ist unbedingt zu beachten für einen Aareschwumm?
Beat Wüthrich: Ich beurteile die Aare nach drei Schwerpunkten: Die Strömung, das heisst die Masseinheit in Kubikmeter, die Temperatur und die Trübung der Aare.
Diese drei Punkte prüfe ich jeden Morgen. Kommt die Aare braun daher, fliessen auch Bäume, Steine und Äste mit – der Aareschwumm wird zur Gefahr und ist daher zu meiden. Auf unseren Anzeigen sind beispielsweise entsprechende Signalisationen zur Strömung angebracht.

BärnerBär: Welche Menschen sollten die Aare meiden?
Beat Wüthrich: Nichtschwimmer haben natürlich in der Aare nichts zu suchen. Ich werde oft von Müttern gefragt, ob sie es mit ihrem Kind in die Aare wagen dürften. Da sage ich klar: Das Kind soll im Becken hundert Meter schwimmen können ohne anzuhalten.
Erfüllt es diese Voraussetzung, kann es den Sprung in die Aare wagen. Aber klar, eine hundertprozentige Sicherheit kann es nie geben, ein Restrisiko bleibt in der Eigenverantwortung. Bernerinnen und Berner, die mit der Aare aufgewachsen sind, können erfahrungsgemäss die Risiken besser einschätzen als Feriengäste aus dem Ausland.
BärnerBär: An welchen Stellen der Aare ab Einstieg Eichholz ist es heikel?
Beat Wüthrich: Vor der leichten Kurve beim Schönausteg und unmittelbar nach dem Steg. Dort hat es am Ufer viele Steine, welche Wirbel verursachen.
Schwimmt man aber auf der rechten Seite, besteht die Gefahr, dass man sich bei tiefem Wasserstand an den Stein- und Sandbänken stösst. Es empfiehlt sich also, eher «mitte-links» zu schwimmen.
BärnerBär: Wo ist der ideale Ort, auszusteigen?
Beat Wüthrich: Sichere Ausstiege sind die grossen Treppen bei den Garderoben und beim «Bueberkanal», der ins «Bueberseeli» führt.
BärnerBär: Ab welcher Wassertemperatur steigen Sie selbst in die Aare?
Beat Wüthrich: Ab sechs bis acht Grad wage ich es. Im Sommer kann es vorkommen, dass ich zwei-, dreimal täglich einen kurzen Schwumm in der Aare geniesse, dies aber längst nicht jeden Tag – je nachdem wie ich mich fühle und wie es die Umstände erlauben. Am meisten schätze ich es, mit meinem Team zu schwimmen.
BärnerBär: Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Aareböötlern?
Beat Wüthrich: Die Zahl der Böötler ist in den letzten Jahren extrem gestiegen. Es gibt einige wenige Regeln, die zu beachten sind. So sollte man zum Beispiel in der Mitte des Flusses fahren und bei der Bootsausstiegsstelle aussteigen, um nicht mit den Schwimmenden zu kollidieren. Leider sind viele «Bootskapitäne» ungeübt oder missachten die Regeln.