Schwere Krankheitsverläufe durch Genveränderung bei Corona
Forscher haben neue Gründe für schwere Krankheitsverläufe bei Covid-Erkrankten gefunden. Beide Erkenntnisse gehen auf das Konto der Genveränderung.

Das Wichtigste in Kürze
- Forscher haben zwei neue Ursachen für schwere Covid-19-Erkrankungen gefunden.
- Teils bilden sich Antikörper, welche sich gegen die körpereigenen Interferone richten.
- Bei manchen wurde die Bildung von Interferonen durch Genmanipulation komplett ausgelassen.
Wissenschaftler von «Covid Human Genetic Effort» haben nach weiteren Gründen für schwere Krankheitsverläufe bei Corona gesucht. Nebst den bekannten, wie etwa eine Immunschwäche oder Vorerkrankungen haben sie zwei weitere Ursachen gefunden. Die Ergebnisse wurden in zwei Studien im Fachmagazin «Science» bekannt gegeben.
Antikörper richten sich gegen körpereigenen Interferone
Bei Untersuchungen an knapp 1000 schwer Erkrankten kam heraus, dass sich bei mehr als zehn Prozent Antikörper im Blut bildeten. Diese Antikörper richten sich gemäss der Studie gegen die körpereigenen Interferone vom Typ 1. Das fand die Gruppe des französischen Arzt Jean-Laurent Casanova heraus.
Diese Interferone des Typ 1 bildet das Immunsystem, sobald es eine Infektion im Körper entdeckt. Sie bekämpfen die Vervielfältigung der Erreger und lassen eine Ansteckung oft unbemerkt. Treten trotzdem Symptome auf, konnte der Körper während der Interferonen-Bildung weitere Abwehrwaffen wie Antikörper oder Killerzellen bilden.
Ü50 Männer erleiden öfter schwere Krankheitsverläufe
Bis sich der Körper auf die «zweite Verteidigungslinie» eingerichtet hat, kann sich Covid-19 ungestört verbreiten. Erstaunlich sei, dass 95 Prozent der Patienten, die solche Antikörper aufweisen, männlich und über 50 Jahre alt sind. Dies sagte Studienmitautorin Vanessa Sancho-Shimizu vom Imperial College London dem britischen «Guardian».

Weshalb sich diese Antikörper bei manchen Patienten bilden, ist bisher nicht klar. Vermutlich stecken genetische Abweichungen dahinter. Die Forscher haben folgende Theorie: «Wir vermuten, dass Sars-CoV-2 ein besonders virulenter Erreger ist, der für Typ-I-Interferon eine grössere Herausforderung ist als beispielsweise eine Grippe.»
Bildung von Interferonen wird unterbunden
In der zweiten Studie deckten die Forscher bei etwa 3,5 Prozent der Untersuchten Varianten in 13 Genen auf. Diese Varianten sollen die Empfindlichkeit für Viruserkrankungen beeinflussen. Wie in der Studie geschrieben, wird dadurch die Bildung von Interferonen unterbunden.
Die neu entdeckten Ursachen sind für rund 15 Prozent der schweren Covid-19-Verläufe verantwortlich. CHGE-Chef Casanova vermutet allerdings, dass noch mehr schwere Krankheitsverläufe mit einer Genveränderung zusammenhängen.