Eine einzelne Fischart kann den Lauf der Evolution verändern
Eine zusätzliche Fischart kann die Entwicklung anderer Arten grundlegend beeinflussen.

Schon eine einzelne Fischart kann die Evolution aufmischen: Wie ein Forschungsteam der Universitäten Bern und der kanadischen Universität British Columbia zeigt, reicht das Vorkommen einer zusätzlichen Fischart in einem See aus, um die Entwicklung der dort lebenden dreistachligen Stichlinge grundlegend zu verändern.
Die Studie verdeutlicht, dass selbst kleine ökologische Unterschiede das Potenzial haben, die biologische Vielfalt langfristig zu prägen. Je nach Veränderung könnten neue Arten entstehen oder bestehende Arten verschwinden.
Ein aktuelles Beispiel: Eine der untersuchten Stichlingspopulationen ist inzwischen ausgestorben, nachdem eine räuberische, fremde Fischart in ihren See eingeführt wurde. «Ein trauriges Beispiel, das zeigt, wie stark auch menschliche Eingriffe natürliche Evolutionsprozesse tiefgreifend und dauerhaft beeinflussen können», kommentierte Studienerstautor Marius Rösti.
Forschungsstudie im Detail
Für die Studie untersuchten die Forschenden Seen in Westkanada. Diese sind nach dem Abschmelzen der Gletscher vor weniger als 12'000 Jahren entstanden. Die Umweltbedingungen waren weitgehend ähnlich – mit Ausnahme von einigen Seen mit unterschiedlichen Bewohnern.
In einigen Seen lebten nur dreistachlige Stichlinge; andere beherbergten zusätzlich die Stachlige Groppe. Die Anwesenheit der Stachligen Groppe hatte einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Stichlinge:
In Seen mit Groppe entwickelten sie sich zu schlanken, freischwimmenden Formen, während sie in Seen ohne Groppe gedrungene, bodennahe Körperformen annahmen.
Entstehung neuer Arten
In einem zweiten Schritt zeigten die Forschenden, dass die Stichlinge aus Seen mit oder ohne Groppe nicht nur unterschiedlich aussehen. Sie haben auch den entscheidenden Schritt auf dem Weg hin zu neuen Arten vollzogen. Dafür setzten die Forschenden Hunderte Fische aus mehreren Seen beider Typen in grosse Versuchsteiche.
Eine genetische Analyse von über 400 Nachkommen zeigte, dass sich die Stichlinge aus Seen mit Groppe hauptsächlich untereinander paarten – ebenso wie jene aus Seen ohne Groppe. Dies bezeichnet Rösti als «direkter Nachweis der Entstehung neuer Arten».
Nun wollen die Forschenden ihre Untersuchungen zur Artbildung in weiteren Seen fortführen – darunter auch im Bodensee. Dort hat sich der dreistachlige Stichling ebenfalls an unterschiedliche Lebensräume angepasst.