Die im Kampf gegen das Coronavirus erlassene Kontaktsperre trifft auf breite Zustimmung in der Bevölkerung - obwohl sie die persönliche Freiheit massiv einschränkt. Die Regierung erwägt Quarantäne für Passagiere von Flügen aus Nicht-EU-Ländern.
Selbst zur Hauptverkehrszeit ist die Ebertstrasse vor dem Brandenburger Tor leer. Foto: Annette Riedl/dpa
Selbst zur Hauptverkehrszeit ist die Ebertstrasse vor dem Brandenburger Tor leer. Foto: Annette Riedl/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Im Kampf gegen das Coronavirus rechnen fast zwei Drittel der Deutschen mit weiteren Einschränkungen der persönlichen Freiheit.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur äusserten 64 Prozent die Erwartung, dass die beschlossenen Massnahmen zur Vermeidung zwischenmenschlicher Kontakte noch einmal verschärft werden. Nur 20 Prozent glauben nicht daran, 16 Prozent machten keine Angaben. Die Akzeptanz der Massnahmen ist der Umfrage zufolge riesig.

Heute berät erneut der Corona-Kabinettsausschuss der Bundesregierung über die Krise. Nach dpa-Informationen soll es dabei auch um Überlegungen gehen, aus Nicht-EU-Staaten ankommende Reisende für zwei Wochen in häusliche Quarantäne zu schicken. Zuerst hatten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe darüber berichtet.

Den Überlegungen zufolge sollen Reisende, die aus Nicht-EU-Staaten nach Deutschland kommen, von der kommenden Woche an alle nach Ankunft für zwei Wochen zu Hause in Quarantäne gehen - und zwar unabhängig davon, ob sie zuletzt in einem Risikogebiet waren. Entschieden wurde darüber nach dpa-Informationen aber noch nicht. Da für die meisten Nicht-EU-Bürger derzeit ein Einreiseverbot gilt, würde dies im Wesentlichen Deutsche und Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis und Wohnort in Deutschland betreffen.

Gegen Mittag informiert zudem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der Bundespressekonferenz über den Kampf gegen das Virus. In Deutschland sind bislang (Stand Mittwochabend) mehr als 37.000 Infektionen mit dem neuen Coronavirus registriert worden. Mehr als 200 mit Sars-CoV-2 Infizierte sind bislang bundesweit gestorben.

Bund und Länder hatten sich am Sonntag auf einen Neun-Punkte-Plan verständigt, der zwischenmenschliche Kontakte minimieren soll, um die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus zu vermindern. Für zunächst zwei Wochen sind öffentliche Ansammlungen von mehr als zwei Personen verboten - mit Ausnahme von Menschen, die im selben Haushalt leben. Bei Verstössen drohen Geldbussen. Cafés, Restaurants und Kneipen sowie Friseure, Kosmetikstudios, Massagepraxen und Tätowierer mussten schliessen. Wie die Vereinbarung konkret umgesetzt wird, ist Sache der einzelnen Bundesländer.

88 Prozent der Befragten der YouGov-Umfrage sind mit dem Massnahmenkatalog einverstanden. Jeder Dritte (32 Prozent) wünscht sich sogar noch härtere Einschränkungen. Nur acht Prozent der Deutschen halten die Massnahmen für überzogen.

83 Prozent sagen, dass sie sich vollständig an die beschlossenen Regeln halten, 12 Prozent zum Teil. Nur zwei Prozent geben an, dass sie die neuen Regeln gar nicht befolgen. Je älter die Befragten sind, desto eher halten sie sich nach eigenen Angaben an die Kontaktsperre.

Angesichts der Belastungen für die Wirtschaft und der drastischen Einschränkungen für die Bürger wird aber bereits über eine «Exit-Strategie» diskutiert. Der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Bundesregierung müsse zeitnah eine solche Strategie für ein schnelles Durchstarten der Unternehmen nach der Corona-Krise entwickeln. «Dazu muss jetzt vor allem die Arbeitsfähigkeit der mittelständischen Unternehmen gesichert werden. Ansonsten drohen nachhaltige Wohlstandsverluste. Wir reden hier von wenigen Wochen, nicht von Monaten.»

Gesundheitsminister Spahn hatte gesagt, er wolle bis spätestens Ostern ein Konzept für einen Weg aus den massiven Alltagseinschränkungen wegen der Corona-Krise erarbeiten. Es gehe darum, öffentliches Leben in Zeiten der Epidemie wieder möglich zu machen, sagte der CDU-Politiker der Wochenzeitung «Die Zeit». Nach Angaben von Kanzleramtschef Helge Braun könnten Kontaktbeschränkungen später einmal zunächst für junge und gesunde Menschen wieder gelockert werden. «Die nächste Phase lautet natürlich: Junge Menschen, die nicht zu den Risikogruppen gehören, dürfen wieder mehr auf die Strasse», sagte er am Mittwoch in der Social-Media-App Jodel.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kritisierte die Forderung von Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann, die Wirtschaft in Deutschland spätestens nach Ostern «schrittweise» wieder hochzufahren. «Wenn die epidemiologische Lage es zulässt, dass es nach Ostern aufgehoben ist, wär' ich der Letzte der sagt, das machen wir nicht sofort», sagte Heil am Mittwochabend in der ARD-Sendung «Maischberger. Die Woche». «Aber jetzt das anzukündigen und nicht zu wissen, ob und wie die Massnahmen (...) wirken, finde ich - ganz freundlich gesagt - fahrlässig.»

Zur Finanzierung der Milliardenkosten der Corona-Krise forderte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch eine einmalige Vermögensabgabe auf grosse private Vermögen. Bartsch sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Die grösste Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg verlangt eine besondere Solidarität derjenigen, denen es sehr gut geht», sagte Bartsch. «Wir brauchen in dieser schwierigen Zeit nichts dringender als gesellschaftlichen Zusammenhalt. Eine einmalige «Corona-Abgabe» auf grosse private Vermögen ist dafür geboten.» Das Grundgesetz sehe im Artikel 106 das Mittel einer einmaligen Vermögensabgabe vor.

Der Bundestag hatte am Mittwoch ein beispielloses Hilfspaket beschlossen, um den Lebensunterhalt der Bürger, ihre Arbeitsplätze, die Krankenhaus-Versorgung und bedrohte Unternehmen sichern.

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