Wahlrechtsreform der Ampel: Die Änderungen und Kritik im Überblick

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DPA, Julian Blatter

Deutschland,

Die Ampel hat ihre Wahlrechtsreform durchgebracht. Was sich ändert, woher die Kritik rührt – und warum Karlsruhe das letzte Wort haben dürfte.

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Aktuell sitzen im deutschen Bundestag 736 Abgeordnete. Nach der neuen Wahlrechtsreform sitzen dort künftig noch 630 Parlamentarier. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Parteien der Ampel beschliessen im Bundestag eine Reform des Wahlrechts.
  • Kritik daran rührt vor allem aus der Union und der Linken.
  • Was sich ändert, was für Kritik sorgt – und woran die Reform noch scheitern könnte.

Die Ampel schafft das, woran Koalitionen unter Führung der CDU jahrelang gescheitert sind: eine Verkleinerung des Bundestags.

Mit der Wahlrechtsreform sind aber lange nicht alle einverstanden. Und obwohl das Geschäft im Parlament erst einmal vom Tisch ist – das letzte Wort ist wohl noch nicht gefallen.

Die Wahlrechtsreform und ihre Folgen

Die Wahlrechtsreform setzt bei den Überhangs- und Ausgleichsmandaten an. Das sind Mandate, die eigentlich nach dem Zweitstimmenergebnis gar nicht existieren sollten.

Wählerinnen und Wähler können mit ihrer Erststimmen in den Wahlkreisen Abgeordnete direkt wählen. Erhält eine Partei mehr Erst- als Zweitstimmen, entstehen dann Überhangsmandate. Um das Kräfteverhältnis nach dem Zweitstimmenergebnis wieder auszugleichen, erhalten die anderen Parteien dafür Ausgleichsmandate.

Aus diesem Grund sitzen aktuell mehr Parlamentarier in Berlin als je zuvor. Die Reform schafft diese Überhangs- und Ausgleichsmandate ab. Die Zahl der Sitze wird gewissermassen bei 630 gedeckelt.

Auch die Grundmandatsklausel fällt weg. Diese besagt, dass Parteien unter der Fünf-Prozent-Hürde mit mindestens drei Direktmandaten trotzdem in den Bundestag einziehen dürfen. Heisst: Wer es nicht über die Fünf-Prozent-Hürde schafft, ist sicher raus. Ausgenommen bleiben dabei Parteien nationaler Minderheiten, wie die SSW.

Bei der letzten Bundestagswahl sah die Sitzverteilung wie folgt aus: SPD 206 Mandate, CDU 152, CSU 45, Grüne 118, FDP 92, AfD 82, Linke 39, SSW 1. Der Wahlrechtsforscher Robert Vehrkampf von der Bertelsmann Stiftung hat ausgerechnet, welche Folgen die Reform auf das Wahlergebnis gehabt hätte. Die Sitzverteilung sähe ihm zufolge so aus: SPD 188, CDU 138, CSU 38, Grüne 107, FDP 83, AfD 75, SSW 1.

Die Kritik an der Wahlrechtsreform

Künftig wird jede Partei nur noch so viele Mandate erhalten, wie ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis zustehen. Auch dann, wenn sie mehr Direktmandate holt. Die Wahlkreisgewinner mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis gehen folglich leer aus. Dies sorgt vor allem für Kritik bei CDU und CSU.

Dass die Grundmandatsklausel wegfällt, erzürnt neben der CSU besonders die Linke. Letztere wäre mit ihren 4,9 Prozent bei der letzten Wahl aus dem Bundestag geflogen. Die CSU kratzte mit 5,2 Prozent gerade so an der Fünf-Prozent-Hürde. Beide Parteien sehen in der Abschaffung der Grundmandatsklausel eine grobe Missachtung des Wählerwillens.

Was die Opposition besonders auf die Palme brachte, waren die Geschehnisse kurz vor der Abstimmung über die Reform. Die Ampel hatte ihren ersten Entwurf nur wenige Tage vor der geplanten Abstimmung durch eine neue Variante ersetzt.

Ursprünglich wollte die Ampel nämlich etwas anderes. Das Parlament sollte auf seine Sollgrösse von 598 Sitzen reduziert werden, aber die Grundmandatsklausel sollte bleiben. Die Union lehnte diesen Vorschlag ab, die Ampel präsentierte daraufhin die jetzige Version der Reform.

So kam es in der abschliessenden Debatte zu einer seltenen Einigkeit zwischen Union und Linken: Dass die Ampel so mit den anderen Fraktionen umspringe, sei arrogant und inakzeptabel. Bei so einem wichtigen Vorhaben müsse man sich in Ruhe eine Meinung bilden können.

Letzte Entscheidung fällt wohl in Karlsruhe

CDU, CSU und Linke halten die Wahlrechtsreform für verfassungswidrig und wollen sie vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe überprüfen lassen. Abgeordnete können wie alle Bürger in Deutschland in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einreichen, wenn sie sich in ihren Grundrechten verletzt fühlen.

Die Union will zudem eine abstrakte Normenkontrolle anstrengen. Dafür ist die Zustimmung von einem Viertel der Abgeordneten im Bundestag nötig. Dann würde Karlsruhe die Vereinbarkeit der Reform mit dem Grundgesetz prüfen.

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CDU-Chef Friedrich Merz während seiner Rede im Bundestag. - dpa

Einen weiteren Weg, die Reform zu kippen, tönt Unionsfraktionschef Merz (CDU) an. Seine Partei sei zwar generell für eine Verkleinerung des Bundestags. Sie werde aber, wenn sie das nächste Mal an einer Regierung beteiligt sei, «darauf dringen, dass das geändert wird».

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