Nach dem Amoklauf eines junges Mannes in Tschechien befindet sich ein ganzes Land im Schockzustand.
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Trauernde legen Blumen für die Opfer der Schusswaffenattacke an der Karls-Universität in Prag nieder. Foto: Petr David Josek/AP/dpa - keystone

Tschechien steht nach der Bluttat an der Prager Karls-Universität kurz vor Weihnachten im Zeichen der Trauer. «Es ist ein Schock – niemand von uns hätte damit gerechnet, dass so etwas passieren kann», sagte eine Krankenhaus-Sprecherin stellvertretend für viele.

Die Regierung rief für diesen Samstag eine eintägige Staatstrauer aus.

Fahnen sollen auf halbmast wehen, die Lichterketten am Weihnachtsbaum auf dem Prager Altstädter Ring sollen erlöschen. Geplant ist auch ein Trauergottesdienst im Prager Veitsdom.

Ein Student hatte am Donnerstagnachmittag im Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät in der Prager Innenstadt das Feuer eröffnet und 14 Menschen getötet. Zudem sei auch der Schütze tot, sagte der Leiter der Prager Polizei, Petr Matejcek, am Freitag – der junge Mann habe sich wahrscheinlich selbst erschossen. Alle Opfer seien inzwischen identifiziert. Unter den Toten seien keine Ausländer. Zwei Bürger aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und ein Niederländer seien unter den Verletzten, hiess es.

Auch für Doppelmord an Vater und Kind verantwortlich?

Vor dem Unigebäude legten Menschen Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Nach den letzten Angaben wurden 25 Personen verletzt, davon zehn schwer. Manche erlitten Durchschüsse im Kopf- oder Brustbereich oder an den Extremitäten und mussten sofort operiert werden. Alle waren in einem stabilisierten Zustand. Über ein mögliches Motiv des Schützen herrschte noch Unklarheit. Vor der Bluttat soll der 24-Jährige bereits seinen Vater in dessen Haus in der Gemeinde Hostoun westlich von Prag ermordet haben.

Die Ermittler äusserten einen schlimmen Verdacht: Eine Hypothese laute, dass der 24-Jährige auch für einen Doppelmord vor einer Woche verantwortlich gewesen sein könnte. Ein Vater und dessen Tochter im frühen Säuglingsalter waren scheinbar grundlos in einem Waldstück am Prager Stadtrand erschossen worden. Der Fall hatte in Tschechien Entsetzen ausgelöst. Klarheit sollen nun ballistische Untersuchungen bringen.

«Auf einmal hörten wir ein merkwürdiges Knallen»

Augenzeugen der Uni-Attacke berichteten von dramatischen Szenen. «Wir hatten Unterricht, und auf einmal hörten wir ein merkwürdiges Knallen», berichtete eine Überlebende im Krankenhaus dem Rundfunk. Dann habe plötzlich jemand durch die Tür geschossen. Erst hätten die Studenten den Eingang mit Bänken verbarrikadiert. Als der Schütze zurückgekommen sei, seien sie aus dem Fenster geklettert, über den Dachsims balanciert und auf einen darunterliegenden Balkon gesprungen, um sich zu retten. Einsatzvideos der Polizei zeigten eine chaotische Situation und Menschen in Panik.

Es gab weiter keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund der Uni-Attacke. Innenminister Vit Rakusan kündigte dennoch eine Verschärfung der Sicherheitsmassnahmen im Land aus präventiven Gründen an. Dazu zähle eine stärkere Präsenz von Polizisten mit Maschinenpistolen an ausgewählten Orten. Rakusan sagte im Rundfunk, der Schütze habe seine Waffen legal besessen und sei nicht vorbestraft.

Immer mehr Bewaffnete im Land

Immer mehr Menschen in Tschechien bewaffnen sich. Im vorigen Jahr verfügten 314 039 Bürger über einen Waffenschein. Die Zahl der legal registrierten Schusswaffen stieg um mehr als 53000 auf fast eine Million, genau 989 348. Das Recht, das eigene Leben oder das eines anderen Menschen mit Waffengewalt zu verteidigen, wurde vor zwei Jahren sogar in die Charta der Grundrechte und -freiheiten aufgenommen, die Verfassungsrang hat.

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