Der «Spiegel»-Redakteur Claas Relotius hat Geschichten gefälscht und Protagonisten erfunden. Auf die Schliche gekommen ist ihm ein Journalisten-Kollege.
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Ausgabe vom deutschen Magazin «Spiegel». - Keystone

Ein Skandal im eigenen Haus vermeldet das deutsche Magazin «Spiegel» heute Mittag – und stellt den Täter gleich selbst an den Pranger: Ihr Redakteur Claas Relotius habe im grossen Umfang seine eigenen Geschichten gefälscht und dazu Protagonisten erfunden.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Redakteur des «Spiegel» stolpert über seine eigenen erfundenen Geschichten.
  • Claas Relotius wurde für seine «erfundenen» Reportagen mit mehreren Preisen ausgezeichnet.

Auf die Schliche gekommen ist ein Spiegel-Kollege, der zunächst nur auf Unglaube innerhalb der Redaktion stösst. Doch die Hinweise mehren sich und nach internen Recherchen steigt der Druck auf den Täter, bis dass dieser schliesslich ein umfassendes Geständnis abliefert.

Ein gefälschter Text zu viel?

Aufgedeckt wurde das ganze wegen eines Textes vom November 2018. Relotius Text «Jaegers Grenze», den er zusammen mit Reporterkollege Juan Moreno recherchierte, handelt von einer US-Bürgerwehr an der Grenze zwischen Mexiko und den USA. Offenbar hatte sich die Pressebeauftragte der Bürgerwehr in Arizona selbst bei Relotius gemeldet: Wie könne er einen Artikel über ihre Gruppe verfassen, ohne für ein Interview vorbeigekommen zu sein, schildert «Spiegel» aus der E-Mail.

Reporterkollege Moreno meldete schliesslich den verantwortlichen Redakteuren seine Zweifel an der Echtheit von Relotius Recherchen und konnte schliesslich mit einer Nachrecherche in den USA seine Zweifel stützen.

Was hat der Redakteur gefälscht?

Wie «Spiegel» schreibt, hat Relotius «mit Vorsatz, methodisch und hoher krimineller Energie getäuscht.» Viele Protagonisten habe er nie getroffen oder gesprochen, zudem erfand er Dialoge und Zitate.

Der Journalist schrieb erst als freier Mitarbeiter für den «Spiegel», seit anderthalb Jahren war er als Redakteur fest angestellt. Von ihm sind dem «Spiegel» zufolge seit 2011 knapp 60 Texte im Heft und bei Spiegel Online erschienen. Seinen eigenen Angaben zufolge sind mindestens 14 Geschichten betroffen und zumindest in Teilen gefälscht.

«Spiegel» prüft nun, ob noch weitere Texte betroffen sind. Die Leitung des «Spiegel» will eine Kommission aus internen und externen Experten einsetzen. Sie sollen den Hinweisen auf Fälschungen nachgehen. Die Ergebnisse sollen öffentlich dokumentiert werden.

Der Redakteur habe sein Büro am Sonntag ausgeräumt und seinen Vertrag am Montag gekündigt.

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