Sorgerecht für Trennungskinder soll umfassend reformiert werden
Das Sorge- und Umgangsrecht für Kinder getrennt lebender Eltern soll umfassend reformiert werden.

Das Wichtigste in Kürze
- Experten: Vielfalt heutiger Familienverhältnisse besser abbilden.
Das empfiehlt eine beim Bundesjustizministerium angesiedelte Experten-Arbeitsgruppe in einem Thesenpapier, das der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag vorlag. «Die gesetzlichen Regelungen müssen der Vielfalt heutiger Familienverhältnisse und Betreuungsformen insbesondere getrennt lebender Eltern und ihrer Kinder besser Rechnung tragen und individuelle Lösungen für die jeweilige Familie ermöglichen», urteilen die acht Fachleute.
Über das Papier der Arbeitsgruppe hatte zuerst die «Welt» berichtet. Die Fachleute formulieren darin 50 Thesen zum Kindschaftsrecht, das «dringend einer grundlegenden Reform» bedürfe. Die Neuregelung müsse «die elterliche Verantwortung stärken, die Gestaltungsmöglichkeiten der Eltern verbessern und einvernehmliche Lösungen erleichtern und fördern».
Unter anderem schlagen die Experten vor, dass die elterliche Sorge für ein Kind den rechtlichen Eltern von Anfang an gemeinsam zusteht. Dies gilt bisher nur für Eltern, die bei Geburt des Kindes verheiratet sind - nicht Verheiratete müssen dazu eine Erklärung abgeben.
Ausserdem soll das Sorgerecht nicht mehr entzogen werden können. Derzeit ist dies insbesondere bei Gefährdung des Kindeswohls möglich. Die Experten plädieren dafür, zwischen «Inhaberschaft der elterlichen Sorge», die dann nicht mehr entzogen werden könnte, und deren Ausübung zu unterscheiden.
Zugleich soll das Umgangsrecht nur noch für Dritte gelten, nicht aber für Väter und Mütter. «Betreuung endet nicht mit der Trennung der Eltern. Eltern werden somit nicht mehr auf ein blosses Umgangsrecht verwiesen.»
Bei der Frage, wie die Betreuung eines Kindes nach der Trennung der Eltern geregelt wird, soll der Willen des betroffenen Kindes eine grössere Rolle spielen. «Die Pflege der Beziehung des Kindes zu beiden Eltern entspricht in der Regel seinem Wohl.» Möglich sein sollen alle Betreuungsvarianten «bis hin zu einem paritätischen Wechselmodell ebenso wie die alleinige Sorgeausübung durch einen Elternteil».
Die Vorschläge der Experten werden nun im Bundesjustizministerium geprüft, wie ein Ministeriumssprecher AFP sagte. Sie flössen dann ein in die Erstellung eines Gesetzentwurfs. Die Expertengruppe war im April 2018 eingesetzt worden. Ihr gehörten acht Fachleute für Familienrecht von Gerichten und Universitäten an.
Hintergrund des Projekts ist eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Dort heisst es: «Zumeist wollen beide Elternteile nach Trennung und Scheidung intensiv in die Erziehungsverantwortung für ihre Kinder eingebunden bleiben.» Dies solle «bei Umgang und Unterhalt» stärker berücksichtigt werden.