Gut ein Jahr nach der Tötung von fünf Kindern in Solingen droht ihrer Mutter die Höchststrafe wegen fünffachen Mordes. Was könnte das Motiv für die Tat gewesen sein?
Die Angeklagte steht im Landgericht neben ihrem Anwalt Thomas Seifert. Foto: Oliver Berg/dpa
Die Angeklagte steht im Landgericht neben ihrem Anwalt Thomas Seifert. Foto: Oliver Berg/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Gut ein Jahr nach der Tötung von fünf Kindern in Solingen hat der Staatsanwalt die Höchststrafe für ihre unter Mordverdacht stehende Mutter gefordert.

Er beantragte am Dienstag am Wuppertaler Landgericht lebenslange Haft und die Feststellung der besonderen Schwere ihrer Schuld, was eine Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausschliesst.

Die 28-Jährige habe die fünf Kinder heimtückisch umgebracht. Diese seien völlig arglos gewesen, als sie von ihrer eigenen Mutter betäubt und dann ertränkt oder erstickt worden seien. Die Kinder waren am 3. September vergangenen Jahres von Polizisten zugedeckt und tot in ihren Betten entdeckt worden.

Die Version der Angeklagten, ein Unbekannter sei in ihre Wohnung eingedrungen, habe sie gefesselt und ihre Kinder getötet, sei aus einer Reihe von Gründen abwegig. Es hätten sich auch keine Spuren dafür gefunden.

Sehnsucht nach heiler Familie

Vielmehr sei sie enttäuscht darüber gewesen, dass ihr Mann in der Nachbarschaft eine neue Frau gefunden hatte. «Sie hatte eine gewisse Sehnsucht nach einer heilen Familie, trat die Flucht in die Mutterrolle an», so der Staatsanwalt. «Sie lebte in einer Art Fassadenwelt, die sie selbst aufgebaut hatte. Nach dem Aus der Fassade waren die Kinder funktionslos geworden.»

Nebenkläger-Anwalt Jochen Ohliger kritisierte die Verteidiger der Mutter, die die These ins Spiel gebracht hatten, der Vater der Kinder könnte einen Auftragskiller auf seine eigenen Kinder angesetzt haben. Dies sei der «feige Versuch der Verteidigung, meinen Mandanten da reinzuziehen. Er hat vier Kinder verloren, da wird die Grenze des Zulässigen überschritten», sagte der Anwalt. «Er war sicherlich nicht der Ehemann des Jahres.» Dass Beziehungen auseinandergehen, sei aber normal.

Verteidiger Thomas Seifert sagte, es liege nahe, dass die Angeklagte als Kleinkind Opfer ihres Vaters geworden sei. Dieser war wegen Besitzes von Kinderpornografie rechtskräftig verurteilt worden. Als Jugendliche sei die 28-Jährige zudem vergewaltigt worden. Daher sei es nachvollziehbar, dass seine Mandantin eine hochgradige Narzisstin geworden sei, vom Ausmass vergleichbar mit Donald Trump. Sie habe die Familie schaffen wollen, die sie selbst nicht hatte.

Boden unter den Füssen verloren

Bis zum Tattag habe sie sich in nicht zu beanstandender Weise um die Kinder gekümmert und den Haushalt mit sechs Kindern bis zur Perfektion geführt. Das Foto ihres Ehemanns mit der neuen Partnerin habe ihr dann aber den Boden unter den Füssen weggezogen.

Sollte sie die Tat begangen haben, bestehe Wiederholungsgefahr, so der Anwalt. Er beantragte dennoch einen Freispruch, weil es Zweifel an ihrer Täterschaft gebe. Sollte das Gericht dem nicht folgen, sei eine Strafe von acht Jahren wegen Totschlags mit Unterbringung in einer Psychiatrie angebracht.

Die vom Gericht bestellten psychiatrischen und psychologischen Gutachter hatten der Angeklagte volle Schuldfähigkeit attestiert und keine Hinweise auf eine gravierende psychische Störung gefunden.

Die 28-jährige Deutsche, die den Schlussvorträgen mit starrem Blick und ohne besondere Regung folgte, verzichtete auf ihr Recht auf das letzte Wort. Das Gericht will das Urteil am Donnerstag verkünden.

Die Leichen der Kinder waren am 3. September vergangenen Jahres in der Wohnung der Familie in Solingen entdeckt worden: Melina (1), Leonie (2), Sophie (3), Timo (6) und Luca (8). Ihre Mutter hatte sich im Düsseldorfer Hauptbahnhof vor einen Zug geworfen, aber überlebt. Ihr ältester Sohn blieb unverletzt. Die Mutter hatte ihn zur Grossmutter an den Niederrhein geschickt. Die Angeklagte hat die Tat mehrfach bestritten.

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