Die Gletscherschmelze offenbart Artefakte wie die Reste eines US-Bombers von 1944 am Taschaferner-Gletscher. Eine Schweizer App soll deren Erhalt sichern.
Schwindende Gletscher
Das Auftauchen archäologischer Artefakte durch die Gletscherschmelze bringt Herausforderungen für die Forschung mit sich. (Symbolbild) - Sina Schuldt/dpa

Das Auftauchen von archäologischen Artefakten wegen der Gletscherschmelze stellt Forschende vor Herausforderungen. Die am Taschaferner-Gletscher im Tirol aufgetauchten Reste eines im Jahr 1944 abgestürzten US-Bomber zeigen dies exemplarisch. Eine Schweizer App soll helfen, die Fundstücke vor dem Zerfall zu bewahren.

Forscher machten sich im August an die erste systematische Begehung, Vermessung und Dokumentation der Absturz- und heutigen Fundstelle des US-Bombers. Dieser war am Weg zurück nach einem Bombardement der Skoda-Werke in Tschechien in Schwierigkeiten geraten, wie der Hochgebirgsarchäologe Thomas Bachnetzer von der Universität Innsbruck und sein Kollege Johannes Pöll vom Bundesdenkmalamt (BDA) der österreichischen Nachrichtenagentur APA beim Aufstieg zur Absturzstelle erklärten.

Über Sölden im Ötztal stieg die zehnköpfige Besatzung aus. Das Flugzeug flog noch bis zum Taschachferner, wo es auf einer Höhe von rund 2500 Metern zerschellte. Die Absturzstelle befindet sich seit einigen Jahren unterhalb der Eisgrenze.

Der Taschachferner schwindet

Vom einst mächtigen Taschachferner ist nur noch wenig zu sehen. Der Gletscher am Ende des Tiroler Pitztales stiess zwischen 1970 und 1987 weiter talwärts vor, jetzt liegt sein Ende Hunderte Höhenmeter über der damaligen Marke. Durch den sich weiter beschleunigenden Klimawandel werden nun Flächen eisfrei, die es mitunter sehr lange nicht waren.

Für Pöll stellt die Lagefeststellung und Klassifikation der mittlerweile durch die früheren Eis- und nun Geröllbewegungen im steilen Gebiet unterhalb der mächtigen Seitenmoräne verteilten, eher kleineren Wrackteile die primäre und wichtigste denkmalpflegerische Aufgabe dar. Die Moräne häufte der Gletscher bei seiner Maximalausdehnung im Jahr 1855 auf, heute braucht es viel Fantasie, um sich das vorzustellen.

Ist der Bomber vom Typ B-17 aus archäologischer Sicht noch sehr jung, so ist es die im Jahr 2016 am nahen Seekarjoch auf rund 2900 Seehöhe gefundene Trittfalle aus Zirbenholz nicht. Sie wurde dort laut Analysen von Bachnetzer und Kollegen im 14. Jahrhundert, im damals ausschleichenden mittelalterlichen Klimaoptimum, ausgelegt, um höchstwahrscheinlich Steinböcke zu fangen.

Forschende rekonstruieren alte Falle

Das haben die Forschenden auch durch eine detailgetreue Rekonstruktion der Falle herausgefunden. Dass das organische Material die Jahrhunderte fast unbeschadet überdauern konnte, ist der Konservierung durch Eis, Schnee und den insgesamt deutlich verlangsamten Abbauprozessen angesichts der dort niedrigen Jahresdurchschnittstemperaturen zu verdanken. Das ist jetzt weg: «In einigen 10'000 Jahren kommt es vielleicht wieder», so Bachnetzer lapidar.

In den kommenden Jahren aber werden nicht nur die Tiroler Gletscher vermutlich noch einige alte Artefakte freigeben. Sind die Funde aus organischem Material, überdauern sie ohne Eis-Konservierung teilweise nicht lange, betonte der Hochgebirgsarchäologe.

Historisch wichtig für Jagd, Weidewirtschaft und Rohstoffabbau

Die langjährige Ansicht, dass im Gebirge für seine Zunft kaum etwas zu holen wäre, gehöre mittlerweile der Vergangenheit an. Heute ist vielerorts klar, dass diese so harschen Naturräume in der Vergangenheit immer wieder zur Jagd, zur Hochweidewirtschaft oder zum Abbau von Rohstoffen aufgesucht wurden, wenn die klimatischen Bedingungen gerade günstig, respektive warm waren. Am Eingang ins Taschachtal gibt es sogar Nachweise menschlicher Anwesenheit aus der mittleren Steinzeit, sagte Bachnetzer.

Viele Artefakte liegen nach dem Eis-Rückzug in der Regel einfach herum. Dementsprechend werden sie nur in absoluten Ausnahmefällen von Experten entdeckt. Daher bräuchte es ein breiter bekanntes System, mit dem etwaige Funde von Laien auf einfache Art und Weise gemeldet werden, und sich Archäologen dann zur Fundstelle auf den Weg machen können, so Pöll.

Experten fordern System zur Meldung von Artefakten

Berggängerinnen und Berggänger können archäologische Entdeckungen via App dem Archäologischen Dienst des Kantons Berns melden. Die App «IceWatcher» wurde von der Kantonsarchäologie Wallis lanciert und ist anwendbar in den Kantonen Bern, Wallis, Graubünden, Uri und Waadt sowie in den Alpengebieten von Frankreich, Italien und Österreich.

Dass die Zeit tatsächlich drängt, zeigt sich auch am Taschachferner: Die seit einiger Zeit deutlich leichter erreichbaren Fliegerteile schwinden nämlich zusehends, wie die Begehung zeigte. Kein Wunder, gibt es nicht nur viele Sammler von Relikten aus dem Zweiten Weltkrieg oder frühen Epochen der Luftfahrt, sondern mitunter auch zahlreiche Hochgebirgsbesucher, die Dinge einfach achtlos mitnehmen. Die grossen Teile des Bombers, wie etwa die Motorblöcke, wurden übrigens bereits vor einiger Zeit mit einem Helikopter geborgen.

Überbleibsel, die ganz klar zeigen, dass hier ein grosser Flieger abgestürzt ist, fehlen aber mittlerweile fast gänzlich. Manche davon könnten heutzutage auch von Steinen bedeckt sein. «In ein paar Jahrzehnten wird man dort oben aber möglicherweise gar nichts mehr finden, weil Leute immer wieder Kleinteile mitnehmen», so der Archäologe. Gerade um das Bewusstsein für die Besonderheit dieser Fundstelle bei der Bevölkerung zu wecken und den weiteren Schwund an Wrackteilen zu unterbinden, kann Pöll sich vorstellen, dass der Ort unter Denkmalschutz gestellt werden könnte.

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