Der Schweizer Pavillon an der 60. Kunstbiennale wird in Venedig eröffnet. Künstler Guerreiro do Divino Amor stellt dort sein Projekt vor.
Der schweizerisch-brasilianische Künstler Guerreiro do Divino Amor wird 2024 an der der 60. Kunstbiennale in Venedig den Schweizer Pavillion gestalten. «Super Superior Civilizations» heisst seine Installation, die politische Mythologien hinterfragt.
Der schweizerisch-brasilianische Künstler Guerreiro do Divino Amor wird 2024 an der der 60. Kunstbiennale in Venedig den Schweizer Pavillion gestalten. «Super Superior Civilizations» heisst seine Installation, die politische Mythologien hinterfragt. - sda - Keystone

Am Donnerstag (18. April) wird der Schweizer Pavillon an der 60. Kunstbiennale in Venedig eröffnet. Der schweizerisch-brasilianische Künstler Guerreiro do Divino Amor stellt dort sein Projekt «Super Superior Civilizations» vor. Was die Installation mit Ironie zu tun hat, hat Kurator Andrea Bellini im Gespräch mit Nachrichtenagentur Keystone-SDA erklärt.

«Es erfüllt mich mit Stolz, für die Betreuung des Schweizer Pavillons ausgewählt worden zu sein», sagte Andrea Bellini im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Der italienisch-schweizerische Kurator Bellini ist Direktor des Centre d'Art Contemporain und der Biennale de l'Image en Mouvement, beide in Genf. Für den Schweizer Pavillon in Vendig arbeitete mit dem Künstler Guerreiro do Divino Amor zusammen. Ausgewählt wurde die Installation von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia und dann speziell für die Räume des Pavillons in Venedig kreiert.

Gezeigt werden das sechste und siebte Kapitel der «Superfictional World Atlas» Saga des Künstlers: «Das Wunder der Helvetia» und «Roma Talismano». Do Divino Amor kümmerte sich mehr um die Realisierung der Werke und die technischen Spezifikationen, während Bellini für die Mittelbeschaffung zuständig war: «Der Bund hat 250'000 Franken zur Verfügung gestellt und ich habe über 300'000 Franken durch Fundraising aufgebracht», sagte der Kurator.

«Das Wunder der Helvetia»

Do Divino Amor sei ein sehr spezieller Künstler, so Bellini. Nicht nur sei er Autodidakt, er habe auch einen Hintergrund in experimenteller Architektur: «Guerreiro do Divino Amor ist ein Weltenbauer, er stellt sich ein Universum vor», sagte Bellini. Im Vorfeld habe der Künstler umfangreiche Forschungsarbeit geleistet. Do Divino Amors Dokumentarfilme seien sehr träumerisch und voller Ironie, die zum Lachen animierten.

«Mit diesem Pavillon wollen wir sagen, dass Ironie vielleicht die grösste Form der Weisheit ist, weil sie uns die Möglichkeit gibt, Abstand zwischen uns und der Welt, aber auch zwischen uns und unseren eigenen Wahrheiten zu schaffen», sagte Bellini. Zudem sei er überzeugt, dass das Werk ein breites Publikum anspreche. «Man muss kein Spezialist für zeitgenössische Kunst sein, um dieses Werk zu verstehen, was sehr wichtig ist.» Und Bellini verwies auf do Divino Amors «sehr populäre Ästhetik».

«Das Wunder der Helvetia» handelt, der Name verrät es, von der Schweiz und besteht aus einer Videoinstallation, die in eine grosse Kuppel des Pavillons projiziert wird. «Dank Pro Helvetia, dem Schweizer Pavillon und unseren Fundraising-Bemühungen sind wir zum ersten Mal in der Lage, dieses Werk so zu präsentieren, wie wir es uns immer vorgestellt haben: in einer Kathedrale», sagte Bellini.

Werk spricht Stereotypen an

Bereits 2022 arbeiteten Künstler und Kurator zusammen. Im Rahmen einer Retrospektive über do Divino Amor wurde etwa «Das Wunder der Helvetia» in Genf gezeigt. «Das Video wird jedoch anders sein, weil Guerreiro es neu bearbeitet hat», so Bellini. Das Werk spreche die Stereotypen an, die für die Schweiz stehen. In der Installation wird die Schweiz als Olymp der Perfektion gezeigt, in dem alle glücklich sind – geführt von Helvetia, der Muttergöttin, wie Bellini ausführte.

Im Pavillon verbindet ein roter Teppich mit klassischen Säulen «Das Wunder der Helvetia» mit dem nächsten Kapitel «Roma Talismano». «Einerseits stellen wir die Schweiz als Höhepunkt der heutigen westlichen Zivilisation dar – ein kapitalistisches Land, in dem die Gemeinschaft in Harmonie lebt», und «andererseits betrachtet do Divino Amor Rom als den Ort, an dem die Idee der Überlegenheit der weissen Rasse ihren Ursprung hat», erklärt der Kurator.

Der brasilianische Künstler Ventura Profan, der in Form eines Hologramms im Pavillon anwesend ist, singt ein Lied von do Divino Amor vor einem grossen Panorama, in dem die Heldentaten des zeitgenössischen Roms erzählt werden: «Wenn man aus Roma Talismano herauskommt, liegen die Säulen auf dem Boden. Man erkennt, dass nichts ewig ist», erklärt Bellini.

Kuppel des Pavillons mit ukrainischer Firma entworfen

Der Titel der diesjährigen Biennale von Venedig lautet «Foreigners Everywhere» – also «Überall Fremde». «Im Schweizer Pavillon laden wir die Besucher ein, sich in ihren eigenen Wahrheiten fremd zu fühlen», sagt er. «Eines der grössten Probleme in der heutigen Welt ist gerade, dass Positionen immer radikaler werden», sagte Bellini.

Dazu einzuladen, eigene Wahrheiten zu hinterfragen, sei eine sehr wichtige kulturelle und politische Botschaft. «Es erfüllt mich mit Stolz, dass diese Einladung zur Ironie aus der Schweiz kommt», sagte Bellini. Eine direkte Demokratie wie die der Schweiz erlaube es, über sich selbst und über die Stereotypen, mit denen man belegt werde, zu lachen.

Die Kuppel des Pavillons wurde mit einer ukrainischen Firma aus Kiew entworfen, die auf die Herstellung von Kuppeln spezialisiert ist. «Die Kuppel besteht aus einer kreisförmigen Metallstruktur, die vor Ort zusammengebaut und speziell für uns angefertigt wurde», sagte Bellini. Zwei Schichten Stoff und Ventilatoren, die Luft ansaugen, lassen die Kuppel kugelförmig werden. Die Ausstellung läuft vom 20. April bis 24. November 2024 im Schweizer Pavillon der 60. Biennale in Venedig.

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