Viele Branchen leiden in der Corona-Krise. Die ästhetisch-plastische Chirurgie mit Botox und Fettabsaugung erlebt jedoch eine Art Boom. Das hat auch etwas mit Maske und Homeoffice zu tun.
Schönheitsoperation
Im Lockdown sind Schönheitsoperationen angesagt. Foto: Georg Ismar/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Behandlungen seien riskant, meist unnötig, die Ärzte windig und die Ergebnisse in vielen Fällen nur so na ja - so lautet das Klischee.

Schönheitsoperationen finden viele gar nicht schön.

Thema werden sie meist nur negativ, etwa wenn Promis seltsam aussehen, junge Leute angeblich ihrem Selfie-Filter nacheifern oder Frauen für den Traum vom «Brazilian Butt» bei einer Po-Vergrösserung mit Eigenfetttransplantation sterben.

Doch die Einstellung zur ästhetisch-plastischen Chirurgie befindet sich im Wandel. In der Corona-Krise liegen Schönheits-OPs geradezu im Trend. Die Pandemie gilt als Gelegenheit, bei sich «etwas machen zu lassen», wie es gern diskret formuliert wird.

Das Spiegelbild bleibt auch im Lockdown

«Die Art der Nachfrage nach ästhetischen Behandlungen hat sich in der Corona-Krise verändert», sagt der Facharzt Dennis von Heimburg in Frankfurt am Main, langjähriger Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC). Und Lutz Kleinschmidt aus Bergisch-Gladbach, Vorstandsmitglied bei der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) sagt: «Durch die Covid-19-Pandemie wurden die gesellschaftlichen Anlässe zwar seltener, aber das eigene Spiegelbild blieb bestehen.»

Die Lockdowns sorgen etwa für den Wunsch nach strafferen Augenpartien. In Maskenzeiten schauen sich Menschen mehr in die Augen. Video-Konferenzen führen ausserdem dazu, dass sich viele länger selbst betrachten und mehr angesehen werden. Auch Lippenkorrekturen mit Fillern sind nach Angaben von Experten häufiger gefragt. Die OPs am Mund lassen sich anfangs gut unter der Maske verstecken.

Insgesamt gebe es ein neues Körperbewusstsein in der Krise, sagt der Arzt Murat Dagdelen in Düsseldorf. Das Interesse an Fettabsaugungen steige, nicht zuletzt weil einige in der Homeoffice-Zeit zugelegt haben. Manche nutzten die Corona-Krise zur Selbstoptimierung. «Die Patienten haben mehr Zeit, sich mit ihrem Äusseren zu beschäftigen.»

In Berlin plaudert ein Arzt in Kudamm-Nähe aus dem Nähkästchen: Gerade beim Entfernen und Abbau von Fettgewebe gebe es so viele Möglichkeiten, dass sich auch der Laie denken könne, dass das perfekte Verfahren wohl noch nicht gefunden sei.

Zu nennen wären neben der Fettabsaugung für ein paar tausend Euro (die auch nur örtlich betäubt möglich ist) zum Beispiel die laserassistierte Liposuktion, die Kryolipolyse (Fettzellenbehandlung mit Kälte) oder die Injektionslipolyse (Fettwegspritze mit Phosphatidylcholin aus der Sojapflanze).

Vorteil 2020 und 2021: In Zeiten von Kontaktbeschränkungen fallen Eingriffe mit einer Auszeit im Anschluss im Sozialleben kaum auf. Auch blaue Flecken, Schwellungen, Rötungen, wie sie nach den heutzutage meist minimalinvasiven Operationen üblich sind, lassen sich mit weniger Aufwand als in normalen Zeiten kaschieren. Studien zufolge verschweigt eine Mehrheit der Patientinnen und Patienten gegenüber Kollegen und Freunden nach wie vor eine Schönheits-OP.

Laut DGÄPC hat sich die Nachfrage bestimmter Berufsgruppen in der Pandemie verstärkt. Andrea Fornoff, Leiterin der Klinik für Plastische Chirurgie in Degerloch (Stuttgart), sagt, dass etwa mehr Lehrerinnen und Lehrer und Menschen, die in der Verwaltung tätig seien, Termine bei ihr machten. «Also Leute, die ein gesichertes Einkommen haben. Es gibt aber daneben auch die breite Schicht derer, die es sich jetzt nicht mehr mal eben so leisten können, etwa Friseurinnen und Friseure oder Beschäftigte aus der Gastronomie

Homeoffice erleichtert Heilung

Es müsse eben finanziell und organisatorisch gut zu machen sein, sagt Fornoff. «Es sind vermehrt Leute, die vorwiegend oder häufig zu Hause arbeiten.» Arbeiten im Homeoffice erleichtere das Auskurieren. Ausserdem: Viele Patienten nutzten wohl ihre Reisekasse und leisteten sich eine Schönheits-OP statt in den Urlaub zu fahren.

Ein zentrales deutsches Register für Schönheitsoperationen gibt es nicht. Hochgerechnet sind es aber Hunderttausende jährlich in Deutschland. Laut einer nicht-repräsentativen Umfrage bei DGÄPC-Mitgliedern waren die Top 5 der ästhetischen Behandlungen vergangenes Jahr Faltenunterspritzungen (etwa mit Hyaluronsäure) und Botox-Behandlungen (Botulinumtoxin). Mit Abstand folgen dann Brustvergrösserung, Oberlidstraffung und Fettabsaugung.

Laut Internationaler Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (ISAPS) mit Sitz im US-Staat New Hampshire gehört Deutschland zu den Ländern mit den meisten Schönheits-OPs - Tendenz steigend. Die Top-10-Länder waren zuletzt die USA, Brasilien, Japan, Mexiko, Italien, Deutschland, Türkei, Frankreich, Indien und Russland.

Nach wie vor dominieren Frauen und ihre Nachfrage den Markt. Nur etwa 10 bis 15 Prozent der Behandlungen werden an Männern vorgenommen. Problemzonen bei Herren sind Bauch, Brust und Doppelkinn. Ein Trend ist zum Beispiel der künstliche Waschbrettbauch. Beim «Abdominal sculpting» kommen keine Silikonimplantate zur Anwendung, sondern Fett wird definierend abgesaugt. Beim «Abdominal etching» (auch Body-banking genannt) wird Fettgewebe um die Muskeln transplantiert.

Die Stuttgarter Plastische Chirurgin Fornoff hat beobachtet, dass sich Männer schneller entscheiden als Frauen. «Wenn sich Männer in der Sprechstunde vorstellen, dann haben sie häufig schon den Entscheidungsprozess durchlaufen und beschlossen, das jetzt durchzuziehen. Frauen sind da oft abwartender, stellen sich eher zurück und warten, bis sie das Gefühl haben, keine anderen Pflichten mehr zu haben und sich das jetzt gönnen zu können.»

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