In Russland ist es kaum möglich, gegen den Krieg in der Ukraine zu demonstrieren. Auf Instagram machen Russen ihrem Unmut dennoch Luft: Eine «kleine Mahnwache».
Figur Frieden Russland Peterhof
Ein Friedensengel mit der Aufschrift «мир» (Russisch: Frieden/Einheit) steht auf einem Geländer vor dem Peterhof in der Nähe von St. Petersburg. - Instagram / @malenkiy_piket

Das Wichtigste in Kürze

  • «Yevgeny» sorgt auf Instagram mit knapp 1000 kriegskritischen Beiträgen für Aufsehen.
  • Er bastelt Figuren mit kremlkritischen Parolen: Eine «kleine Mahnwache» gegen den Krieg.
  • Hunderte Russinnen und Russen beteiligen sich am Protest und senden ihm ihre Bilder zu.
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In Russland ist es nicht einfach, gegen den Krieg in der Ukraine zu demonstrieren: Kundgebungen werden aufgelöst – Kriegsgegner werden von Sicherheitskräften geschlagen, verhaftet und mit drakonischen Strafen abgemahnt.

Ein russischer Künstler hat allerdings ein Schlupfloch entdeckt, um seinem Unmut über den anhaltenden Konflikt Luft zu machen: Yevgeny bastelt kleine Figuren und platziert sie an verschiedenen Plätzen in russischen Städten. In den Händen halten die kleinen Männchen Miniatur-Schilder mit kriegskritischen Botschaften.

«Putin tötet Menschen»

So skandieren die Figuren beispielsweise Botschaften wie «Putin tötet Menschen» oder «Stoppt den Krieg – helft der Ukraine!» Bereits wenige Wochen nach dem Einmarsch in die Ukraine zog Yevgeny gegen den Krieg auf die Strasse: Bei einer Demonstration in St. Petersburg wurde er Zeuge, wie Sicherheitskräfte zahlreiche Kriegsgegner brutal zusammenschlugen.

Damals habe er realisiert, dass offener Protest in Russland quasi unmöglich sei, wie Yevgeny gegenüber «BBC Russia» erklärt. Kurze Zeit später habe er die ersten Figuren für sein Projekt «kleine Mahnwache» angefertigt. Die Bilder davon postete er auf Instagram – flankiert mit einem Aufruf, seinem Beispiel zu folgen.

Schon wenig später hatten hunderte Gleichgesinnte ihre eigenen Figuren gebastelt, wie der Künstler gegenüber dem Nachrichtenportal erklärt. Die zugesandten Bilder veröffentlicht Yevgeny auf Instagram.

«Verbreitung von Falschinformationen über die Armee»

Mittlerweile finden sich auf dem Account «@malenkiy_piket» (Russisch: kleine Mahnwache) fast 1000 unterschiedliche Beiträge mit Bildern von Protest-Figürchen. Wer sich an dem Protest beteiligt, riskiert viel: Wegen «Verbreitung von Falschinformationen über die russische Armee» drohen in Extremfällen bis zu zehn Jahre Haft.

In Russland fühle er sich nicht länger sicher, betont Yevgeny im Interview. Schliesslich sei er für eine illegale Protestbewegung verantwortlich, die jeden Moment auffliegen könne: «Als sich die Repressionen allmählich verschärften, begann ich um mein Leben zu fürchten – ich wurde richtig paranoid!»

Nach Ankündigung der Teilmobilmachung im vergangenen September fasste Yevgeny schliesslich den Entschluss, Russland zu verlassen. Er überquerte die Grenze in eine andere ehemalige Sowjetrepublik – bis heute ist er nicht in seine Heimat zurückgekehrt.

Knete stoppt keine Bomben

Yevgeny weiss: Knete stoppt keine Bomben – trotzdem ist er überzeugt, dass die «kleine Mahnwache» einen wichtigen Beitrag zum Diskurs leiste. «Viele Russinnen und Russen stellen sich endlich die Frage: Was kann ich tun?»

Begrüssen Sie Aktionen wie die «kleine Mahnwache» als Zeichen gegen den Krieg?

«Ich kann jeden Tag etwas tun. Es mag nur ein kleiner Akt sein, aber im Instagram-Feed sieht er gross aus. Es ist ein Versuch, einen Weg zu finden, sich in diesem gemeinsamen Schmerz zu vereinen. Das ist notwendig, denn Protest ist unmöglich», so der Künstler gegenüber «BBC Russia».

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