Es war das grösste Tierdrama in jüngerer Zeit: 30 Pottwale waren 2016 im Nordseeraum gestrandet. Die Ursache bleibt aber wohl für immer unklar.
Tote Pottwale liegen am Wattenmeer vor dem Kaiser-Wilhelm-Koog.
Tote Pottwale liegen am Wattenmeer vor dem Kaiser-Wilhelm-Koog. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • 2016 sorgte eine Pottwal-Massenstrandung in der Nordsee für Aufsehen.
  • Bis heute gibt es noch immer keine klaren Gründe für das tierische Drama.

Die Anfang 2016 dort gestrandeten 30 jungen Pottwale waren den nun abgeschlossenen Untersuchungen zufolge weder ernsthaft krank noch verletzt noch Opfer einer sonstigen klar nachweisbaren Umwelteinwirkung. Wie die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover am Mittwoch erklärte, verirrten sie sich wohl durch das «komplexe Zusammenspiel» nicht mehr rekonstruierbarer Faktoren.

In der laut Hochschule bislang umfangreichsten wissenschaftlichen Analyse einer Pottwalstrandung hatte ein internationales Team aus mehr als 40 Experten 27 der 30 Kadaver untersucht sowie die zur damaligen Zeit herrschenden Umweltbedingungen betrachtet. Die Wale waren vor rund zweieinhalb Jahren binnen weniger Wochen an den Küsten der Nordseeanrainerstaaten gefunden worden. Allein 13 Tiere strandeten im Nationalpark Wattenmeer in Schleswig-Holstein.

Es sei dabei «kein alleiniger Faktor gefunden worden, der für die Strandungsreihe im Jahr 2016 verantwortlich ist», hiess es in der Untersuchung, die in der Fachzeitschrift «Plos One» veröffentlicht wurde. Stattdessen gingen sie davon aus, «dass sehr wahrscheinlich eine Kombination verschiedener und zusammenfallender Faktoren dazu geführt hat».

Insbesondere fanden die Experten keine Hinweise auf gravierende Erkrankungen oder Verletzungen. Die Tiere waren zwar von Parasiten befallen und mit einer bisher unbekannten Variante des Herpesvirus befallen, aber diese Infektionen können die Strandungsserie nicht erklären. Auch Traumata durch Schiffskollisionen, Verheddern in Netzen oder eine Kontamination mit chemischen Stoffen schieden aus.

Der im Magen von neun Wale aufgefundene Plastikmüll reichte nach Einschätzung der Experten ebenfalls nicht aus, da er bei keinem der Tiere den Verdauungstrakt verstopfte. Umweltereignisse wie die Schockwellen von Seebeben, giftige Algenblüten oder auffällige Veränderungen der Ozeantemperatur seien nach eingehender Analyse aller verfügbaren Daten als «sehr unwahrscheinlich» zu betrachten.

Die Ergebnisse decken sich mit Ergebnissen der Untersuchungen einiger Tiere, die Fachleute für das schleswig-holsteinische Umweltministerium kurz nach den Strandungen vorgenommen hatten. Demnach waren die Wale gesund sowie gut genährt. Dass Tiere durch menschlichen Lärm geschädigt werden und die Orientierung verlieren, ist eine Theorie zur Erklärung solcher Strandungen.

Erklärungsbedürftig ist weniger die akute Todesursache der Pottwale, die in der Nordsee nicht zurechtkommen. Sie können in dem flachen Randmeer mit seinen vielen Inseln, Flussmündungen und Wattbänken nicht gut navigieren und finden nichts zu fressen. Wenn sie stranden, werden sie vom Gewicht ihres Körpers erdrückt. Die Frage ist vielmehr, warum die über sehr weite Strecken wandernden Tiere in für sie ungeeignete Meeresgebiete «abbiegen».

Wahrscheinlich habe «eine Kombination grossräumiger Umweltfaktoren» dafür gesorgt, dass die Wale in die südliche Nordsee gelangten und dort wie in einer «Falle» festsassen, erklärte die Hochschule. Die These werde dadurch gestützt, dass die Tiere laut Analyse zu zwei unterschiedlichen Gruppen aus verschiedenen Gebieten gehörten und dass im Januar und Februar 2016 zeitgleich auch andere Arten in der Nordsee strandeten, die dort üblicherweise nicht vorkämen.

Ihrem Mageninhalt zufolge frassen sie zuletzt in den Gewässern vor Norwegen ihre bevorzugte Nahrung aus Tintenfischen, die sie in grosser Tiefe jagen.

Neben den 13 vor Schleswig-Holstein verendeten Tieren waren damals drei vor Niedersachsen gefunden worden. Weitere Wale starben an den Küsten der Niederlande, Grossbritanniens und Frankreichs.

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