Platzmangel: Schweden schickt Straftäter nach Estland
Während in Schweden die Gefängnisse aus allen Nähten platzen, herrscht in Estland gähnende Leere. Für 2026 ist ein Deal zwischen den beiden Ländern geplant.

Das Wichtigste in Kürze
- Estland vermietet bis zu 300 Gefängniszellen an Schweden.
- Der Deal sieht eine jährliche Mindestzahlung von 28,5 Millionen Franken an Estland vor.
- Estland behält sich vor, Gefangene abzulehnen.
Die Zahlen sprechen für sich: Schwedens Gefängnisse sind zu 112,6 Prozent ausgelastet, Estlands dagegen nur zu 56,2 Prozent. Woran das liegt? Vorallem an der Kriminalitätsentwicklung, berichtet die Deutsche Presseagentur.
Schweden kämpft seit Jahren mit einer eskalierenden Bandenkriminalität – Schiessereien, Explosionen und organisierte Drogenkriminalität dominieren die Schlagzeilen.
Die Regierung reagierte mit harten Massnahmen: neue Gesetze, verschärfte Strafen, verstärkte Polizeibefugnisse. Das Resultat sind mehr Verurteilungen – und ein chronischer Mangel an Haftplätzen.
Was Estland anders macht
Estland dagegen hat die Kriminalitätsbekämpfung auf einem anderen Weg reformiert. Mit Fokus auf Prävention, elektronische Überwachung und alternativen Strafmassnahmen ist die Zahl der Inhaftierten seit 2010 drastisch gesunken.

Der Strafvollzug wurde modernisiert, neue Gefängnisse gebaut – nur: heute braucht man viele der Plätze gar nicht mehr.
Tartu als Pilotprojekt: Schwedische Häftlinge in estnischen Zellen
Ab 2026 sollen nun bis zu 600 schwedische Häftlinge im Gefängnis von Tartu untergebracht werden. Eine Mitte Juni 2025 unterzeichnete Regierungsvereinbarung sieht die Anmietung von 400 Zellen durch Schweden vor.
Die finanziellen Rahmenbedingungen: eine jährliche Mindestzahlung von 28,5 Millionen Euro für 300 Plätze, bei Bedarf 8'000 Franken pro Häftling für weitere Insassen. Das sei laut Schwedens Justizminister Gunnar Strömmer immer noch günstiger als die Unterbringung im eigenen Land.
Doch es geht nicht nur ums Geld. Für Estland ist die Vereinbarung eine Möglichkeit, modernes Personal zu halten und eine teure Infrastruktur sinnvoll zu nutzen. Ein Rückbau der Haftanstalten wäre teuer, langfristig möglicherweise sogar kontraproduktiv.
Gleichzeitig kann Schweden seine Überlastung temporär abbauen – ohne in aller Eile neue Gefängnisse bauen zu müssen.
Sicherheitsbedenken: Bevölkerung zwischen Pragmatismus und Angst
Nicht alle sind begeistert. In Tartu, der Universitätsstadt mit knapp 100.000 Einwohnern, herrscht Skepsis. In einer Umfrage sprach sich eine Mehrheit gegen die Aufnahme schwedischer Straftäter aus.
Die Angst: gefährliche Kriminelle könnten Estlands innere Sicherheit gefährden. Die Regierungen beider Länder versichern: Gefährder und Terrorverurteilte bleiben aussen vor.
Estland behält sich vor, einzelne Fälle abzulehnen. Zudem soll es weder Freigang noch Entlassungen in Estland geben. Spätestens einen Monat vor Haftende geht es für die Inhaftierten zurück nach Schweden.