Mehr als 15 Jahre hat es keine Parlamentswahl in den Palästinensergebieten mehr gegeben. Die für Ende Mai geplante Abstimmung wurde kurzfristig verschoben. Die Entscheidung birgt Konfliktpotenzial.
Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell während einer Pressekonferenz. Foto: Francois Walschaerts/AFP/AP/dpa/Archiv
Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell während einer Pressekonferenz. Foto: Francois Walschaerts/AFP/AP/dpa/Archiv - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Europäische Union hat mit grosser Enttäuschung auf die Verschiebung der ersten Wahl in den Palästinensergebieten seit mehr als 15 Jahren reagiert.

Der Aussenbeauftragte Josep Borrell erklärte am Freitag, die EU habe beständig ihre Unterstützung für glaubwürdige, inklusive und transparente Wahlen für alle Palästinenser ausgedrückt. Er forderte, dass umgehend ein neuer Wahltermin festgelegt wird.

Der UN-Sondergesandte Tor Wennesland rief die Palästinenser auf, den Weg der Demokratie fortzusetzen. Er könne die Enttäuschung vieler Menschen über die Verschiebung verstehen. Die Festlegung eines neuen und zeitnahen Wahltermins wäre ein wichtiger Schritt, den Palästinensern zu versichern, dass ihre Stimmen gehört würden.

Spekulationen über eine Verschiebung wegen der Jerusalem-Frage hatte es seit Tagen gegeben. Der Status der Stadt ist einer der zentralen Streitpunkte im Nahost-Konflikt. Israel beansprucht Jerusalem als «ewige und unteilbare Hauptstadt» für sich. Die Palästinenser halten ihrerseits an ihrem Anspruch auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt fest.

Experten hatten für den Fall einer Verschiebung vor grosser Frustration unter den Palästinensern gewarnt. Aufgrund der vielen jungen Menschen und der lange zurückliegenden vorigen Wahl hätte etwa die Hälfte der rund 2,5 Millionen Wahlberechtigten erstmals abstimmen dürfen. In Umfragen zeigten sich zuletzt zwei Drittel der Befragten unzufrieden mit Abbas.

Manche Beobachter werteten den Streit um Ost-Jerusalem als vorgeschobenen Grund. Sie vermuten als Motiv unter anderem die Sorge von Abbas und dessen Umfeld vor einer möglichen Niederlage und die tiefe Spaltung der Fatah. Die vorige Präsidentenwahl fand 2005 statt, die Parlamentswahl 2006.

Die Palästinenser hatten auf die Zustimmung Israels zur Möglichkeit der Stimmabgabe im Ostteil der Stadt gepocht. Israel reagierte darauf jedoch nicht. Das Aussenministerium in Jerusalem betonte nur, Israel wolle sich nicht in die Wahl einmischen oder sie verhindern. Viele in Israel hatte ein mögliches Erstarken der Hamas bei der Parlamentswahl mit Sorge erfüllt. Die im Gazastreifen herrschende Gruppe wird von Israel und der EU als Terrororganisation eingestuft. Umfragen sahen sie zuletzt aber hinter der Fatah.

Rechtlich betrachtet ist eine Erlaubnis Israels zur Stimmabgabe im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems nicht nötig. Faktisch ist ein Einverständnis aber durchaus erforderlich, da Israel den Osten der Stadt kontrolliert. Die israelische Polizei ging dort zuletzt wiederholt gegen jegliche Wahlaktivitäten vor.

Die Friedensverträge zwischen Israel und Palästinensern sehen vor, dass palästinensische Bewohner Jerusalems in Postfilialen abstimmen können. Nach palästinensischen Angaben haben diese eine Kapazität für bis zu 6300 Wähler. Es ist nicht zwingend, dass die Filialen genutzt werden. Die insgesamt rund 150.000 Wahlberechtigten könnten auch in Vororten abstimmen. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) besteht aber darauf, dass auch in den Postfilialen abgestimmt wird. 2006 hatte Israel die Abstimmung in Ost-Jerusalem ermöglicht.

Israel steckt nach der vierten Wahl binnen zwei Jahren in einer politischen Krise, ob eine Regierungsbildung gelingt ist ungewiss. Der Friedensprozess mit den Palästinensern spielte im Wahlkampf und nun auch in der Phase der Regierungsbildung praktisch keine Rolle.

Die Abstimmung in den Palästinensergebieten war als Teil der Versöhnungsbemühungen zwischen Fatah und Hamas gedacht. Eine Einigung sollte wiederum den Weg für neue Gespräche mit Israel über eine Zwei-Staaten-Lösung ebnen.

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