Das Gondel-Unglück am Lago Maggiore erschütterte ganz Europa. Doch der Unfall löst auch böse Erinnerungen aus – ein Experte ordnet ein.
Stresa
Rettungskräfte am Ort des Gondel-Unglücks in Stresa. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Bei einem Gondel-Unglück in Stresa (I) starben 14 Menschen – die Unfallursache ist unklar.
  • Die Tragödie lässt Erinnerungen an andere Unglücke in Italien wach werden.
  • Ein Experte erkennt in Italien strukturelle Probleme.

Am Sonntag ist nahe der Schweizer Grenze im italienischen Stresa eine Gondel abgestürzt. 14 von 15 Insassen sind tot, ein 5-jähriger Bub schwebt weiterhin in Lebensgefahr. Es ist eine Tragödie, die ganz Europa bewegt.

Gleichzeitig lassen die Horror-Bilder der Unfallstelle böse Erinnerungen aus der nahen Vergangenheit wach werden: Der Brückeneinsturz im norditalienischen Genua, bei dem 43 Menschen ums Leben kamen.

Wegen des Coronavirus komplett überlastete Spitäler in Bergamo, die spektakuläre Entgleisung eines führerlosen Zugs letzten Sommer nahe Mailand. Und Berichte über gefährliche Sicherheitsmängel in italienischen Autobahntunnels.

Genua
Im Sommer 2018 stürzte in Genua eine Autobahnbrücke ein.
zugunglück lombardei
Ein führerloser Zug ist letztes Jahr in der Lombardei entgleist.
Coronavirus
Während der Corona-Krise waren die Spitäler im italienischen Bergamo teilweise komplett überlastet.
Seilbahnunglück in Italien
Die Ursache des Gondel-Unglücks in Stresa ist noch unklar.

Geschehen in Italien tatsächlich auffallend viele Unfälle im Zusammenhang mit Infrastruktur – oder verzerren einige in den Medien heiss diskutierte Vorfälle die Realität? Ein Experte ordnet ein.

Bürokratie-Probleme um Seilbahn in Stresa

Historiker und Italien-Experte Lutz Klinkhammer vom Deutschen Historischen Institut in Rom erklärt auf Anfrage von Nau.ch: «Unabhängig von Vorfällen wie in Stresa und Genua gibt es in Italien strukturelle Probleme. Diese lassen sich auch am Fall der Gondel ablesen.» Hier sehe er in erster Linie das Problem der Bürokratie.

Seilbahn
Wer der Betreiber der verunglückten Seilbahn ist, ist klar – doch laut einem Experten lasst sich die Frage nach dem Besitzer kaum beantworten. - Vigili del Fuoco/AFP

Beim Unglück am Lago Maggiore spiegelt sich das laut Klinkhammer beispielsweise in der Besitzerfrage. «Wer ist der Eigentümer dieser Gondelanlage? Der Betreiber ist bekannt, aber die Frage nach dem Besitzer ist zurzeit nur schwer zu beantworten. Es gibt Konflikte zwischen der Region und der Gemeinde.»

«Regeln überschneiden oder widersprechen sich»

Ganz allgemein hätten sich bürokratische Probleme in Italien durch die Abschaffung der Provinzen verstärkt. «Dabei sind ihre Verantwortungen nur unvollständig auf andere Instanzen übergegangen», hält der Experte fest.

Seilbahnunglück Lago Maggiore
Das jüngste Opfer des Seilbahnunglücks in Norditalien war gerade einmal zwei Jahre alt.
Seilbahnunglück Norditatlien
Insgesamt starben 14 Menschen, nur der fünfjährige Eitan überlebte.
Seilbahnunglück
Die Ermittler haben drei Verantwortliche verhaftet, sie gaben zu, die Notbremse blockiert zu haben.

«Ein Beispiel für das Problem ist eine schöne Villa nahe Salerno, die der Besitzer der Provinz vermachte», so Klinkhammer. Damit erhielt sie auch die Aufgabe, die Villa instand zu halten – weil jetzt niemand mehr zuständig ist, verfällt sie.»

Im Falle der Gondel muss noch geklärt werden, welche Ursache das Unglück auslöste. «Aber woran Italien arbeiten muss, ist die Vereinfachung der bürokratischen Struktur. Deren Abläufe sind oft so kompliziert, dass sie für Unsicherheiten sorgen.»

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