Deutschland steht aus «historischer Verantwortung» hinter Israel. Das ist nicht einfach für die muslimisch-deutsche Bevölkerung, die zunehmend angefeindet wird.
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Pro-Palästina-Proteste sind in Deutschland oftmals untersagt – dies enttäuscht einen Grossteil der muslimischen oder der muslimisch-deutschen Bevölkerung. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Aus historischer Verantwortung steht Deutschland stark hinter Israel.
  • Pro-Palästina-Demonstrationen sind gar nicht oder nur mit starken Restriktionen erlaubt.
  • Dies löst bei vielen Muslimen, die in Deutschland leben, Identitätskrisen aus.
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Israel ist nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, um Jüdinnen und Juden einen sicheren Ort zu bieten. Deutschland, als Verursacher des Holocausts sieht dabei eine besondere «historische Verantwortung», dass diese Sicherheit erhalten bleibt, schreibt der «Guardian». Doch das hat Auswirkungen auf eine andere Bevölkerungsgruppe innerhalb des Landes: die Muslime.

Robert Habeck, deutscher Vizekanzler, meinte in einer Videobotschaft: «Die Sicherheit Israels gehört zur deutschen Staatsräson. Es war die Generation meiner Grosseltern, die das jüdische Leben in Deutschland und Europa auslöschen wollte.» Deutschland sei dazu verpflichtet, die Sicherheit der jüdischen Bevölkerung in Israel zu gewährleisten.

pro-palästina-demo
Pro-Palästina-Demonstrationen sind in Deutschland gar nicht oder nur mit starken Restriktionen erlaubt.
antisemitismus-propaganda 2. weltkrieg
Dies liegt an der «historischen Verantwortung» Deutschlands. Wegen des Holocausts muss Deutschland für die Sicherheit der jüdischen Bevölkerung in Israel einstehen.
robert habeck
Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck betonte dies in einer Rede.
lubna shammout
Die deutsch-palästinensische Altersheim-Leiterin Lubna Shammout versteht das – trotzdem behält sie sich das Recht vor, «zu protestieren und um ihre Toten zu trauern».
moschee mit polizei
Viele Muslime fühlen sich zu Unrecht angegriffen: Mit der Zunahme an antisemitischen Angriffen steigt auch die Feindseligkeit gegenüber dem Islam in Deutschland.

Die Attacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober schockierte Lobna Shammout, eine deutsch-palästinensische Altersheim-Leiterin. Doch mit der anhaltenden Israel-Unterstützung Deutschlands wächst bei ihr der Frust.

Die Hamas hat bei ihrem brutalen Angriff auf Israel 1200 Menschen getötet. Die israelische Armee ist daraufhin nach Palästina einmarschiert: Laut Angaben der Hamas sind bereits 15'000 Bewohnerinnen und Bewohner von Gaza getötet worden.

Bereitet Ihnen der Israel-Krieg Sorgen?

Shammout meint dazu: «Ich unterstütze die Hamas nicht und verurteile die Anschläge aufs Schärfste. Aber ich behalte mir das Recht vor, zu protestieren und um unsere Toten zu trauern.» In Deutschland gelten verschärfte Regeln für Pro-Palästina-Proteste. In manchen Städten sind sie sogar ganz verboten.

Seit den Angriffen der Hamas auf Israel haben in Deutschland antisemitische Vorkommnisse zugenommen. Die Regierung erwartete daraufhin klare Statements der muslimischen Gruppen im Land.

Viele muslimische Gruppen fühlten dadurch zu Unrecht angegriffen. Der Imam und islamische Theologe Scharjil Ahmad Khalid sagt: «So wie die antisemitischen Angriffe zugenommen haben, hat auch die Feindseligkeit gegenüber Muslimen zugenommen.» Er erwähnt dabei mehrere Attacken auf Moscheen, Hassbriefe und Anschuldigungen auf Social Media.

Der Islam ist mit fünfeinhalb Millionen Menschen die zweitgrösste Religion in Deutschland.

Neue Spannungen führen zu Identitätskrisen

In der «Berliner Zeitung» erklärt Khalid, dass Rechtsextreme viel wahrscheinlicher hinter antisemitischen Angriffen stecken würden als Muslime. Vizekanzler Habeck vermutet, Rechtsextreme würden sich bei antisemitischen Angriffen bewusst zurückhalten, um «gegen Muslime hetzen» zu können.

Diese neuen Spannungen lässt viele Muslime, die in Deutschland aufgewachsen sind, ihre Identität anzweifeln, schreibt der «Guardian». So auch Shammout, die einen palästinensischen Vater und eine deutsche Mutter hat: «Das verletzt beide meiner Seiten, die deutsche und die palästinensische.»

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