Immer öfter begehren Menschen in Berlin gegen steigende Mieten auf. Aktuell sind Bewohner der Karl-Marx-Allee in den Schlagzeilen.
Jürgen und Gisela Bessler schauen aus dem Fenster ihrer Wohnung in der Karl-Marx-Allee.
Bewohner der einstigen DDR-Prachtstrasse Karl-Marx-Allee sind in den Schlagzeilen. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Mieter der ehemaligen DDR-Prachtstrasse gehen auf die Barrikaden.
  • In Berlin steigt der Mietpreis seit Jahren. Die Angst vor Gentrifizierung ist gross.

Fünf Kinder, acht Enkel und zehn Urenkel – die Grossfamilie hält Jürgen Bessler (85) und seine Frau Gisela (86) auch im Ruhestand mitunter ganz schön auf Trab. Doch so viel Aufregung wie in der eigentlich besinnlichen Vorweihnachtszeit hat das betagte Berliner Ehepaar wohl noch nie erlebt.

Denn ihre Drei-Zimmer-Wohnung in der Karl-Marx-Allee, der einstigen sozialistischen Prachtstrasse im Ostteil Berlins, wurde wie 800 weitere vom bisherigen Eigentümer an den börsennotierten Immobilienkonzern Deutsche Wohnen verkauft. Nun befürchten die rund 2000 Bewohner stark steigende Mieten und viele von ihnen gehen auf die Barrikaden. Auch die Besslers. «Für uns geht es um eine Existenzfrage», sagt Gisela Bessler mit ernster Miene. Sie lebt seit 1963 in einem der markanten Gebäude der Karl-Marx-Strasse. «Nun ist nicht mehr sicher, ob wir die Wohnung behalten können», erzählt sie.

Angst vor Gentrifizierung

Der Fall in der «KMA», wie die Karl-Marx-Allee genannt wird, steht exemplarisch für eine Entwicklung, die die deutsche Hauptstadt seit der Wiedervereinigung 1990 erlebt. Zunächst nahm die Einwohnerzahl ab, und Wohnungsmangel war ein Fremdwort. Aus Geldnot verschleuderte der Senat (Regierung des Bundeslandes Berlin) bis ins neue Jahrtausend hinein riesige Wohnungsbestände.

Doch heute sieht es in der Stadt mit 1,6 Millionen Mietwohnungen anders aus. Die Metropole ist eine Spielwiese für Investoren, die in Erwartung grosser Renditen Immobilien und Baugrundstücke en mass kaufen. Folglich explodieren seit einigen Jahren die Mieten. In vielen Stadtvierteln, nicht nur in der Karl-Marx-Allee, geht die Angst vor Gentrifizierung um.

Plakate gegen den Verkauf von Mietwohnungen an die Deutsche Wohnen SE hängen an einer Gebäudefassade in der Karl-Marx-Allee.
Plakate gegen den Verkauf von Mietwohnungen an die Deutsche Wohnen SE hängen an einer Gebäudefassade in der Karl-Marx-Allee. - dpa

Aufgeschreckt haben die Proteste auch den Berliner Senat. «Unser Ziel ist es, den bezahlbaren Wohnraum in den vier betroffenen Blöcken in der Karl-Marx-Allee zu erhalten und dauerhaft zu sichern», versichert Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke). In hektischer Betriebsamkeit entwickelte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) ein Modell, wie Mieter bei ihrem Vorkaufsrecht mittels Bürgschaft unterstützt werden können.

Überzeugend finden die Besslers derartige Überlegungen nicht. Womöglich kommt indes Variante zwei für die Besslers zum Tragen. Denn ihr Wohnhaus liegt in einem sogenannten Milieuschutzgebiet. Solche Gebiete legen Berliner Stadtbezirke immer öfter fest, um dort die soziale Struktur und bezahlbare Mieten zu sichern.

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