Viele Spitzenpolitiker in Frankreich wollen das Fiasko der Regionalwahlen rasch abhaken. Zwei Drittel der Wahlberechtigten blieben der Abstimmung fern. Der Kampf um das Präsidentenamt ist eröffnet.
Emmanuel Macrons Partei LREM konnte in keiner einzigen Region gewinnen. Foto: Ludovic Marin/POOL AFP/AP/dpa
Emmanuel Macrons Partei LREM konnte in keiner einzigen Region gewinnen. Foto: Ludovic Marin/POOL AFP/AP/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nach ihren Schlappen bei den Regionalwahlen in Frankreich gehen Staatschef Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen geschwächt in den Kampf ums Präsidentenamt.

Le Pen eröffnete demonstrativ das Marathonrennen um das Spitzenamt im Élyséepalast: Die Präsidentenwahl im Frühjahr 2022 biete mehr denn je Gelegenheit für einen Politikwechsel, sagte sie nach ihrer Niederlage. Ihr Rassemblement National (RN) war in der zweiten Wahlrunde am Sonntag mit dem Vorhaben gescheitert, erstmals eine Region zu erobern und damit eine solide Machtbastion für die Rechtspopulisten zu schaffen.

Bei der bürgerlichen Rechten hingegen brachten sich gleich mehrere potenzielle Anwärter mit starken Ergebnissen für die Wahlschlacht im kommenden Jahr in Stellung. Unter ihnen ist im Norden der Ex-Minister Xavier Bertrand (56), der als ein möglicher Hoffnungsträger des bisher tief gespaltenen konservativen Lagers gehandelt wird.

Macron, der noch keine offizielle Kandidatur für seine Wiederwahl verkündet hat, gerät offensichtlich in Zugzwang. Der 43-Jährige werde sich im Juli an die Franzosen wenden, um seine Strategie für die restliche Amtszeit darzulegen, kündigte Regierungssprecher Gabriel Attal am Montag an. «Unser Land ist an einem Wendepunkt.»

Der Macron-Vertraute und frühere Minister Christophe Castaner sagte mit Blick auf das Wahlresultat: «Das ist eine Ohrfeige für die Demokratie und für unsere politische Partei.» Etwa zwei von drei Wahlberechtigten waren der Abstimmung ferngeblieben - so viele wie noch nie. «Wir nehmen diese Situation natürlich ernst», sagte Premier Jean Castex bei einer virtuellen Sitzung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung: «Wir sind engagiert, damit die französische Demokratie bestmöglich funktioniert.» Die Tageszeitung «Le Monde» sprach von einem «gewaltigen Graben», der - vor allem junge - Wähler und die Volksvertreter trenne.

Die Wahlen, die wegen der Corona-Pandemie drei Monate später stattfanden als zunächst geplant, enthüllten erhebliche Schwächen des Macron-Lagers in den Regionen. Die verbliebenen Kandidaten der Präsidentenpartei LREM und ihrer Verbündeten landeten auf hinteren Plätzen. Lediglich im Überseegebiet Guadeloupe konnte sich ein Mitte-Politiker durchsetzen, der laut Medien dem Macron-Lager angehört. Die Regionen gingen ganz überwiegend an die bisherigen Amtsinhaber der bürgerlichen Rechten und der Linken. Französische Medien sprachen von einer «Status-Quo-Wahl».

Macron war am Montag bei einem Termin in der Region Hauts-de-France des konservativen Wahlgewinners Bertrand unterwegs und gab sich unbeirrt. «Wir schaffen wieder industrielle Arbeitsplätze», sagte der Staatschef vor Renault-Arbeitern - und kündigte eine milliardenschwere Investition der chinesischen Envision-Gruppe in eine Batteriefabrik an. Danach stand im Prunkschloss Versailles ein Treffen mit 150 Unternehmenschefs für die Standortförderung an.

Le Pen müsse nun beim RN-Parteitag in knapp einer Woche für ihren vergleichsweise gemässigten Kurs geradestehen, meinten einige Kommentatoren. So verzichtet die 52-jährige Tochter von Front-National-Mitgründer Jean-Marie Le Pen schon seit längerem auf die radikale Forderung eines Austritts aus der Eurozone, um der Partei eine breitere Anhängerbasis zu verschaffen. Allerdings vertritt sie weiterhin eine Linie, die europa- und immigrationsfeindlich ist. Ausserdem steht Le Pen für einen Hardliner-Kurs bei der inneren Sicherheit.

Le Pens Partei hatte sich Hoffnungen gemacht, die Region Provence-Alpes-Côte-d'Azur mit den Grossstädten Marseille und Nizza zu erobern. Kandidat Thierry Mariani kam aber nur auf 42,7 Prozent, wie das Innenministerium bekanntgab. Der bürgerlich-konservative Bewerber Renaud Muselier erzielte 57,3 Prozent.

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