Die Inflation in Deutschland macht im Juli einen deutlichen Satz auf 3,8 Prozent. Noch höher liegt die Rate in den USA. Müssen sich Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantiks auf nachhaltig steigende Preise einstellen?
Vor allem Heizöl und Sprit verteuerten sich gegenüber dem Vorjahresmonat deutlich. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Vor allem Heizöl und Sprit verteuerten sich gegenüber dem Vorjahresmonat deutlich. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Teuerungsschub in Deutschland: Angeheizt vor allem von höheren Energiepreisen sprang die Inflationsrate im Juli auf den höchsten Stand seit fast 30 Jahren.

Die Verbraucherpreise lagen um 3,8 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.

Das Statistische Bundesamt bestätigte am Mittwoch vorläufige Daten. Einen höheren Wert hatten die Statistiker zuletzt im Dezember 1993 mit damals 4,3 Prozent ermittelt. Auch in den USA bleibt die Inflation auf hohem Niveau. Die befürchtete Beschleunigung blieb aber aus. Im Juli lag die Jahresrate bei 5,4 Prozent.

Rohölpreise haben sich erholt

Ökonomen führen den Anstieg der Verbraucherpreise auf beiden Seiten des Atlantiks auch auf vorübergehende Faktoren der Erholung nach dem schweren Konjunktureinbruch in der Corona-Krise zurück. Eine Rolle spielen dabei die Rohölpreise. Diese waren mit Ausbruch der Krise im vergangenen Jahr wegen geringer Nachfrage auf dem Weltmarkt eingebrochen. Seither haben sie sich erholt.

In Deutschland sind zudem seit Januar 25 Euro je Tonne Kohlendioxid (CO2) fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Im Juli stiegen die Energiepreise kräftig um 11,6 Prozent. Vor allem für Heizöl (plus 53,6 Prozent) und Sprit (plus 24,7 Prozent) mussten Verbraucher in Deutschland deutlich tiefer in die Tasche greifen als ein Jahr zuvor. Ohne Berücksichtigung der Energieprodukte hätte die Inflationsrate nach Angaben der Wiesbadener Statistiker im Juli bei 2,9 Prozent gelegen.

Mehrwertsteuer wieder regulär

Daneben spielt hierzulande auch ein sogenannter Basiseffekt eine gewichtige Rolle: Um den Konsum in der Corona-Krise anzukurbeln, hatte der Bund die Mehrwertsteuer befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 gesenkt. Seit Januar 2021 gelten wieder die regulären Mehrwertsteuersätze, Waren und Dienstleistungen werden also tendenziell wieder teuer.

Ökonomen halten in den kommenden Monaten Jahresinflationsraten in Deutschland von an die fünf Prozent für möglich. Dabei handelt es sich aus ihrer Sicht aber um ein vorübergehendes Phänomen. So sieht das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) keinen Grund für «Inflationspanik». Der Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Andreas Bley, rechnet im kommenden Jahr wieder mit einer massvolleren Teuerung unter zwei Prozent.

Europas Währungshüter streben für den Euroraum eine jährliche Teuerungsrate von zwei Prozent an und sind dabei zumindest zeitweise bereit, ein moderates Über- oder Unterschreiten dieser Marke zu akzeptieren. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex HVPI, den die EZB für ihre Geldpolitik heranzieht, lag in Deutschland im Juli um 3,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. In der Eurozone insgesamt legten die Verbraucherpreise im Juli nach ersten Daten des Statistikamtes Eurostat im Jahresvergleich um 2,2 Prozent zu.

In den USA brummt die Konjunktur

In den USA lag die Jahresinflationsrate im Juli wie schon im Juni bei 5,4 Prozent, wie das Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Weiterhin treiben Lieferengpässe und die steigende Nachfrage die Teuerung an. Allerdings ist der zuletzt massive Preisanstieg bei Gebrauchtwagen laut Arbeitsministerium gebremst worden.

Nach dem coronabedingten Einbruch der US-Wirtschaft im vergangenen Jahr brummt die Konjunktur inzwischen. Viele Bereiche, darunter die Gastronomie und der Einzelhandel, klagen über einen Mangel an Arbeitskräften, der wiederum zu höheren Stundenlöhnen führt. Experten warnen zudem, dass der boomende US-Immobilienmarkt mittelfristig zu höheren Mieten führen könnte, was wiederum die Inflationsrate anheizen würde.

Die Notenbank Federal Reserve (Fed) strebt für die USA langfristig eine Inflationsrate von durchschnittlich rund zwei Prozent an, wobei kurzfristige Ausschläge nach oben ausdrücklich toleriert werden. Zentralbankchef Jerome Powell räumte im Juli ein, die Inflationsrate werde wohl auch «in den kommenden Monaten» noch über dem Fed-Ziel liegen. Der Preisanstieg sei aber durch «vorübergehende Faktoren» der Erholung nach der Corona-Krise begründet und werde wieder nachlassen. Falls die Inflation doch längerfristig über dem Ziel liegen sollte, würde die Fed ihre «Werkzeuge» nutzen, um die Preisstabilität zu garantieren, so Powell.

Mit einer Leitzinserhöhung, die die Konjunktur dämpfen würde, rechnen Analysten jedoch bis auf Weiteres nicht. Erwartet wird aber, dass die Fed womöglich im September ankündigt, in den kommenden Monaten damit zu beginnen, ihre lockere Geldpolitik etwas zu drosseln. Bislang kauft die Notenbank monatlich Papiere im Wert von rund 120 Milliarden US-Dollar, um die Märkte mit Liquidität zu versorgen und damit die Konjunktur zu stützen.

Eine Straffung der Geldpolitik im Euro-Raum ist dagegen vorerst nicht in Sicht. Die EZB bekräftigte jüngst ihren Kurs mit Zinsen auf Rekordtief und milliardenschweren Anleihenkäufen.

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