«Immer schlimmer»: Schweizer Malle-Wirtin denkt über Wegzug nach

Riccardo Schmidlin
Riccardo Schmidlin

Spanien,

Der Geduldfaden der Kult-Wirtin Beatrice Ciccardini reisst. Wegen des Sauftourismus weiss die Schweizerin nicht, wie lange sie noch auf Mallorca bleibt.

Beatrice Ciccardini
Die Schweizer Malle-Auswandererin Beatrice Ciccardini führt das Restaurant «Zur Krone» beim Ballermann auf Mallorca. Nun denkt sie über einen Wegzug von der Insel nach. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Die spanische Insel Mallorca ächzt unter Overtourism.
  • Viele kommen nur fürs Saufen und machen Ärger. Auch die Kriminalität steigt.
  • Eine Schweizer Wirtin wünscht sich mehr Ruhe – und denkt über einen Wegzug nach.

«Wenn es so weiter geht, muss ich mir was anders suchen», kündigt Beatrice Ciccardini im Gespräch mit Nau.ch an. Die 70-jährige Schweizerin übernahm 2008 das Lokal «Zur Krone» auf der spanischen Insel Mallorca. Nun denkt sie offen über einen Wegzug nach.

Grund: «Die Touristen benehmen sich immer schlimmer.»

Warst du schon mal auf Mallorca?

Sie selbst freut sich zwar «über die besten Gäste der Welt» bei sich, wie sie schwärmt. Doch: Ihr Restaurant liegt an der berüchtigten Playa de Palma, am Ballermann.

Jährlich strömen dorthin Touristinnen und Touristen, um Schlagerlieder zu grölen – vor allem aber wird hemmungslos getrunken.

Nur einen Steinwurf von der «Krone» entfernt spielen sich teils chaotische Szenen ab. Ciccardini darauf achtet, keine problematischen Gäste hereinzulassen. Trotzdem bleibt ihr der Ärger nicht erspart.

Grüsel-Touris verrichten Geschäft vor Tür der Wirtin

«Der Sauftourismus wird immer schlimmer», beklagt sich Ciccardini. «Schon früher pinkelten und kotzten die Leute überall hin. Doch seit Neustem ka**en sie uns auch noch vor die Türe». Wie bitte?

Erwische man die Grüsel in flagranti und spreche sie darauf an, zeigten sie sich wenig einsichtig. «Wir müssen jetzt halt unser Geschäft verrichten – es gibt sonst keine WCs», heisse es dann.

Mallorca
Das Restaurant «Zur Krone» liegt nun ein Katzensprung vom Ballermann-Chaos entfernt. Das bereitet auch der Wirtin Probleme. - zvg

Auch Lärm, Sachbeschädigung und nächtliche Ruhestörung gehören für Ciccardini zum Alltag. «Die Leute sind stockbetrunken und klingeln dann bei uns Sturm, weil sie ihre Wohnung nicht finden.»

Dabei gäbe es längst politische Gegenmassnahmen.

Seit 2022 erteilt die Regierung auf Mallorca keine neuen Lizenzen mehr für Wohnungen. So will sie sicherstellen, dass Wohnungen den Einheimischen vorbehalten bleiben. «Doch viele halten sich nicht daran», sagt die Schweizer Auswanderin.

Auch andere Regelungen greifen ihrer Meinung nach zu wenig. Strassen und Parkplätze seien weiterhin mit Mietautos verstopft – trotz einer Einschränkung bei den Bewilligungen.

«Wenn ich um 10 Uhr einen Arzttermin in Palma habe, muss ich schon um 7 Uhr los», sagt sie. Für eine Strecke, die eigentlich nur eine Viertelstunde dauern würde.

Strassenhändler halten sich nicht an Alk-Verkaufsverbot

Auch vom Saufverbot hält sie nicht viel. Ab 21.30 Uhr darf in Supermärkten und Kiosken kein Alkohol mehr verkauft werden, ebenso wenig auf offener Strasse. Trotzdem floriert der illegale Verkauf.

«Viele afrikanische Strassenhändler – man nennt sie auf der Insel ‹Helmuts› – verkaufen weiter munter Bier und Co.», sagt Ciccardini «Sie werden kaum kontrolliert, weil sie die Bussen ohnehin nicht bezahlen würden.»

«Aber bei uns sind sie dann pingelig. Weil sie genau wissen, dass wir die Bussen auch zahlen», nervt sich die Wahl-Mallorquinerin über die Regierung.

Für ihr Lokal gelten strenge Vorschriften. Stühle und Tische auf der Terrasse müssen exakt im markierten Bereich stehen. «Wenn ein Gast einen Stuhl verschiebt, bekommen wir Ärger. Aber sag mal einem Gast, er dürfe die Stühle nicht verschieben ...»

Darum zog die Wirtin Konsequenzen. «Uns blieb nichts anderes übrig, als die Tische zu zersägen, um sie kleiner zu machen. Und so ja auch nicht einen Zentimeter über der gelben Linie zu sein.»

Auch dieses Jahr gab es auf Mallorca wieder Proteste von Einheimischen gegen den Tourismus. Viele Einheimische beklagen steigende Mieten und die Verdrängung durch Ferienwohnungen.

Auf Wände werden Parolen wie «Tourists go home» (zu Deutsch: «Touristen, geht nach Hause») gesprüht. Teils richten sich die Schmierereien explizit gegen Deutsche – die Stammgäste am Ballermann.

Kriminelle überfallen Betrunkene und zücken Messer

Beatrice Ciccardini findet es falsch, dass sich die Wut gegen die Touristen entlädt. «Man sollte lieber gegen die Regierung protestieren, die das zulässt.»

Auch Kriminalität und Drogen seien zunehmend ein Problem. «Es gibt immer mehr Banden auf der Insel. Diese nutzten die Trunkenheit der Gäste aus, um sie auszurauben. Und es kommt auch zu Überfällen und Gewalt – zum Teil auch mit Messern.»

Schlepper brächten immer mehr Menschen aus Nordafrika. Es seien vor allem diese, die auf der Insel Probleme verursachten, meint Ciccardini.

Mallorca
Immer wieder protestieren Einheimische auf Mallorca gegen den Übertourismus. - keystone

Sie selbst bekommt von den Protesten nur aus den Medien mit. «Bei uns in der Umgebung merkt man nichts. Es wird nicht darüber gesprochen. Man hat das Gefühl, die Playa de Palma gehört nicht dazu.»

Auch von einem deutschen Rentnerpaar, das nach 38 Jahren wegen steigender Kosten die Insel verlässt, kriegte sie nichts direkt mit.

«Ja, vieles ist teurer geworden», bestätigt sie. «Aber hohe Preise ist man sich von der Schweiz gewohnt. Deshalb verlässt man Mallorca nicht. Sondern, weil man unter dem Verhalten der problematischen Touristen und unter der steigenden Kriminalität leidet.»

Dafür kennt sie Schweizer, die gerne nach Mallorca ziehen würden – aber nichts finden. «Die Wohnungen sind knapp – und wenn, dann zu horrenden Preisen.»

«Regierung muss Überfüllung der Insel verhindern»

Für Ciccardini ist klar: Nicht die Touristen sind das Problem – nur jene, die sich daneben benehmen. Und schon gar nicht die Auswanderer.

«Gerade die Deutschen bringen wirklich genug Geld. Auf der ganzen Insel hat es Deutsche, Schweizer und Österreicher. Ich verstehe nicht, warum gegen sie demonstriert wird.»

Die Verantwortung liege bei der Regierung, nicht bei den Reisenden. «Sie muss kontrollieren, dass es nicht überfüllt ist. Und hinschauen bei Ferienwohnungen, bei Mietautos, bei illegalem Alkoholverkauf ...»

Noch lebt Beatrice Ciccardini gerne auf Mallorca. Doch der Geduldsfaden beginnt zu reissen. «Ganz ehrlich: Wenn sich hier nichts ändert, suche ich mir wirklich einen Ort, an dem man in Ruhe leben kann.»

Kommentare

User #4039 (nicht angemeldet)

Hat sie denn ihre Kröten ganz ohne Alkohol gescheffelt?

User #4384 (nicht angemeldet)

Zensieren muss geil sein.

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