Kaum ein Künstler könnte angesichts von Klimawandel, Konsumkritik und Suche nach kreativen Lebensformen aktueller sein als Friedensreich Hundertwasser. Der vor 20 Jahren gestorbene österreichische Maler war ein Öko-Aktivist - und Bewunderer von Egon Schiele.
Der Direktor des Leopold Museums, Hans-Peter Wipplinger, steht vor dem Bild "Der grosse Weg" (1955) von Friedensreich Hundertwasser. Foto: Matthias Röder/dpa
Der Direktor des Leopold Museums, Hans-Peter Wipplinger, steht vor dem Bild "Der grosse Weg" (1955) von Friedensreich Hundertwasser. Foto: Matthias Röder/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Er hasste die gerade Linie, die Anpassung, die Verschwendung.

«Er hat sehr einfach gelebt und fast all sein Geld in Projekte wie Gärten und das Anpflanzen von Bäumen investiert», sagt der Direktor des Leopold Museums in Wien, Hans-Peter Wipplinger, über Friedensreich Hundertwasser.

Der österreichische Maler (1928-2000), bekannt vor allem für seine vor Buntheit strotzenden Spiralbilder, predigte früh Genügsamkeit, wetterte gegen die fantasielose Architektur und entwickelte eine Humustoilette. Zu seinem 20. Todestag setzt das Leopold Museum die Gemälde des Lebenskünstlers in der Schau «Hundertwasser – Schiele. Imagine Tomorrow» (bis 31. August) in Dialog mit denen von Egon Schiele (1890-1918). Dadurch gelingt ein beeindruckender Blick auf die Vorbildfunktion, die das Werk des Expressionisten auf Hundertwasser hatte.

«Schiele war sein grosser geistiger Vater», sagt Wipplinger. Ausgangspunkt der innigen Bewunderung war eine Ausstellung in Wien im Jahr 1948. Schieles Blick auf die für ihn beseelte Natur prägten Hundertwasser genauso wie dessen Selbstinszenierungen auf Fotos, Zeichnungen und Gemälden. Hundertwassers Selbstporträt von 1951 erinnert frappant an das Selbstbildnis Schieles mit hochgezogener nackter Schulter von 1912. Schieles «Aus dem Kierlinger Tal» (1907) und Hundertwassers «Bürgeralmlandschaft» (1951) gehören zu den weiteren Belegen für die «Wahlverwandtschaft» beider, wie sie Kurator Robert Fleck sieht. Auch Schieles «Häuserbogen II» von 1912 und Hundertwassers «Almhütten auf grünem Platz» (1951) haben gemeinsame Charakteristika. Auf den Ranglisten seiner Lieblingskünstler bekam Schiele beim Autodidakten Hundertwasser immer Platz eins.

Die Schau ist die einzige, die Hundertwasser umfassend zu seinem Todestag würdigt. Das Museum beherbergt den weltweit grössten Bestand an Schiele-Werken, der für die Schau noch ergänzt wurde. Aufschluss über Hundertwassers Denken geben Dokumente wie Briefe, Tagebücher und Zeitungsartikel sowie ein Film. Sie gewähren einen Blick in das Leben eines Mannes, der das Bunte und Kurvige auch als Antwort auf das von den Nazis verbreitete Grauen kultiviert hat. 69 Familienmitglieder des 1928 in Wien unter dem Namen Stowasser geborenen Künstlers wurden in NS-Konzentrationslagern ermordet. «Alle geometrischen Menschenformationen wie das Marschieren hat er gehasst», sagt Wipplinger.

Im Gegensatz zum sehr früh gestorbenen Schiele entwickelte Hundertwasser aus seiner Haltung auch ein politisches Konzept und trat für die Baumpflicht, das Fensterrecht und das freie Baurecht für Jedermann ein. Sein «Verschimmelungs-Manifest gegen den Rationalismus in der Architektur» von 1958 empfiehlt Kreativität an der Hauswand. «Ein Mann in einem Mietshaus muss die Möglichkeit haben, sich aus seinem Fenster zu beugen und - so weit seine Hände reichen - das Mauerwerk abzukratzen. Und es muss ihm gestattet sein, mit einem langen Pinsel (...) alles rosa zu bemalen, so dass man von weitem, von der Strasse, sehen kann: Dort wohnt ein Mensch, der sich von seinen Nachbarn unterscheidet, dem zugewiesenen Kleinvieh!». Entsprechend farbig und unkantig sind die von ihm weltweit entworfenen Gebäude.

Um den Zwängen zu entfliehen, baute Hundertwasser ein marodes Segelschiff zum halbwegs hochseetüchtigen Boot «Regentag» um. Damit segelte er bis nach Neuseeland, wo er ein Anwesen erwarb und 25 Jahre lang wirkte. Die Nähe zur Natur und das Leben abseits des Mainstreams pflegte er bis zu seinem Tod. 100 000 Bäume habe Hundertwasser in seinem Leben gepflanzt oder pflanzen lassen, sagt Wipplinger. Wenig überraschend, dass er sich ohne Sarg, nur in ein Tuch eingewickelt, im «Garten der glücklichen Toten» in Neuseeland unter einem Tulpenbaum begraben liess.

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