In der Millionenstadt Goma spitzt sich die Lage am Vulkan Nyiragongo dramatisch zu. Fast eine halbe Million Menschen sind verzweifelt auf der Flucht. Viele Strassen und auch der Flughafen wurden gesperrt.
Menschen versammeln sich an einer Lebensmittelverteilungsstelle in Sake. Foto: Moses Sawasawa/AP/dpa
Menschen versammeln sich an einer Lebensmittelverteilungsstelle in Sake. Foto: Moses Sawasawa/AP/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Helferin Rachel Bernard ist verzeifelt.

«Wir tun, was wir können, um jede Herausforderung zu meistern. Bei dieser Lage, die sich permanent ändert», so die Leiterin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (ICRC) in der Demokratischen Republik Kongo.

Doch auch Bernard muss zugeben, dass die Situation in der Millionstadt Goma nur schwer zu meistern ist. Zehntausende Menschen, die aus Sorge vor einer erneuten Eruption des Vulkans Nyiragongo geflohen waren, mussten teils unter freiem Himmel übernachten. Eine Notversorgung gab es bislang kaum, so dass einige Menschen laut Augenzeugenberichten wieder zurückkehrten.

Knapp eine halbe Million Menschen sind nach dem Ausbruch des Nyiragongo am vergangen Samstag (22.5.) auf der verzweifelten Flucht - laut Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) darunter auch Hunderttausende Kinder. In gerade mal 48 Stunden wurden nach ICRC-Angaben rund 550 Kinder in dem Chaos von ihren Familien getrennt. Diese hatten sich nach einem behördlichen Räumungsbefehl auf den Weg gemacht.

Es droht eine tödliche Giftwolke

Wohin? Einfach nur weg von der drohenden Gefahr - irgendwohin. Denn es gibt nur wenige Optionen: Der Flughafen gesperrt, eine wichtige Verbindungsstrasse von der Lava blockiert - und der Seeweg über den benachbarten Kivu-See hochriskant. Denn am Boden des Gewässers schlummert hochgiftiges Methangas, das von der glühenden Lava freigesetzt zu werden droht. Eine solche Giftwolke wäre tödlich für alles, was sich im Umkreis befindet. Zudem werden die Erdstösse immer heftiger. «Die Gefahr einer erneuten Eruption ist real und die Angst greifbar: Alle fünf Minuten kann man Erdstösse in der Stadt spüren», berichtete der Rotkreuz-Manager Raphaël Tenaud.

Nach Angaben der UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) erreichten sie am Vortag eine Stärke von bis zu 4,9 auf der Richter-Skala. Eine wichtige Verbindungsstrasse sei mittlerweile von Lava geräumt. Ein Mitarbeiter der Welthungerhilfe in der knapp 150 Kilometer entfernten ruandischen Hauptstadt Kigali musste sein Telefonat mit der Zentrale kurz unterbrechen, weil selbst dort noch die Erdstösse deutlich zu spüren waren. Die Behörden vermuten, dass sich die Lava unterirdisch einen Weg unter die Stadt bahnt und bei jedem Erdstoss herausbrechen kann. Der Vulkan befindet sich im Virunga-Nationalpark, etwa 20 Kilometer nördlich der Grossstadt und nahe der Grenze zu Ruanda. Zuletzt brach er 2002 aus. Lava zerstörte damals Teile Gomas, 250 Menschen wurden getötet, 120 000 obdachlos.

Wie geht es weiter nach der Flucht?

Eine Millionenstadt in Angst: Sollte der Vulkan erneut ausbrechen, droht eine Mega-Katastrophe mit verheerenden Auswirkungen. Selbst wenn sie vermieden wird: die Frage, wie es nach der Flucht weitergehen soll, beschert den Mitarbeitern der Hilfsorganisationen schon jetzt ernste Sorgenfalten. Knapp tausend Häuser wurden zerstört, die Stromversorgung ist unterbrochen, und einer halben Million Menschen fehlt nach Rotkreuzangaben das Trinkwasser. Die Gefahr eines Cholera-Ausbruchs ist unter diesen Umständen gross.

Nach Angaben der UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) werden noch immer Dutzende Menschen vermisst. Die Schliessung der Flughäfen der betroffenen Grenzstadt Goma sowie der Nachbarstadt Bukavu erschwerten humanitäre Hilfsmassnahmen. Drei Dörfer und ein Vorort von Goma wurden von der Lava zerstört. Zudem bleiben viele Kinder orientierungslos zurück. «Unsere Teams stossen in den Unterkünften auf unbegleitete Kinder - Mädchen und Jungen, die Gefahr laufen, missbraucht oder ausgebeutet zu werden, wenn sich niemand um sie kümmert», erklärte der Länderdirektor der Kinderhilfsorganisation Save the Children, Amavi Akpamagbo.

Fünf Millionen Binnenflüchtlinge

Nach der Eruption des Vulkans am vergangenen Samstag hatten Einwohner ihre Häuser in Panik verlassen und waren über die Grenze ins benachbarte Ruanda geflohen. Ein Teil der Lava hatte sich Richtung Goma gewälzt, stoppte dann aber 300 Meter vor dem Flughafen der Grenzstadt.

«Diese jüngste Krise übt noch mehr Druck auf die ohnehin schon angespannten Ressourcen der Regierung und der Hilfsorganisationen in der Demokratischen Republik Kongo aus», meint Akpamagbos Kollege Niyonzima. Immerhin verzeichnet die Demokratische Republik Kongo mit rund 5,2 Millionen Binnenvertriebenen die höchste Vertriebenenzahl in einem Land auf dem afrikanischen Kontinent.

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