Im Prozess zu den Pariser Anschlägen vom November 2015 hat sich der Hauptangeklagte Salah Abdeslam damit verteidigt, dass er seinen Sprengstoffgürtel nicht gezündet und niemanden getötet habe.
Salah Abdeslam
Salah Abdeslam - AFP

«Die Leute, die niemanden getötet haben, kann man nicht so verurteilen als wenn man die Köpfe des Islamischen Staates vor sich hätte», sagte Abdeslam am Mittwoch vor dem Gericht in Paris mit Bezug auf die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).

Noch vor Beginn seiner Befragung äusserte Abdeslam sich spontan zu seiner Rolle bei den Attentaten. «Ich habe niemanden getötet und niemanden verletzt», sagte der 32 Jahre alte Franzose. «Ich habe nicht mal einen Kratzer verursacht», sagte Abdeslam, der das einzige noch lebende Mitglied der Pariser Terrorkommandos ist.

Später sagte er, wer auf das Zünden seines Sprengstoffgürtels verzichtet habe, sage sich hinterher: «'Ich hätte das Ding auslösen sollen'» und stelle sich die Frage: «'War es richtig, einen Rückzieher zu machen, oder hätte ich bis zum Ende gehen sollen?'»

Auf die Frage einer Anwältin der Nebenkläger nach Reue antwortete er, er sei «nicht der einzige» unter den Angeklagten, «der von einem Rückzieher spricht». Mehrere hätten gesagt: «Ich bin nicht fähig dazu, ich habe meine Meinung geändert.» Er sei selbst in den Cafés gewesen, in denen die Anschläge in Paris verübt wurden. «Diese Leute da auf den Terrassen ... Ich habe selber angesagte Cafés wie diese besucht. Ich hab ein Hemd angezogen, mich parfümiert, also am nächsten Tag in dasselbe Café zu gehen...», sagte Abdeslam.

Am 13. November 2015 hatten jeweils drei mit Sprengstoffgürteln ausgestattete Männer im Konzertsaal Bataclan, vor Cafés und Restaurants in der Pariser Innenstadt und nahe einem Fussballstadion 130 Menschen getötet. 350 weitere Menschen wurden verletzt. Alle neun Attentäter sind tot. Abdeslam war der einzige, der sich in der Tatnacht seines Sprengstoffgürtels entledigte und flüchtete.

Das Gericht befasste sich erstmals mit der Radikalisierung des Hauptangeklagten. «Ich unterstütze den Islamischen Staat», gab der 32-Jährige zu. «Ich kämpfe für islamische Werte», fügte er hinzu. Er habe sich der IS-Miliz zugewandt, nachdem sein Bruder nach Syrien gereist sei. Er selbst sei aber wegen seiner Eltern und seiner in Belgien lebenden Verlobten nicht nach Syrien gegangen.

Abdeslam beklagte sich vor Gericht, dass er seit Beginn des Prozesses «verleumdet» worden sei und kritisierte die «extrem harten Strafen» bei Terrorismus-Prozessen. «Wenn künftig jemand mit einem Koffer mit 50 Kilogramm Sprengstoff in die Metro oder in einen Bus steigt und es sich im letzten Moment anders überlegt, dann wird er sich sagen, dass er das nicht machen kann, da man ihn ohnehin einsperren oder töten wird», sagte Abdeslam.

Am Mittwoch und Donnerstag sollte es zunächst um seinen Werdegang gehen und um die Frage, wie und warum er sich radikalisierte. Abdeslam war als ausgehfreudig bekannt, bevor er sich wie auch sein Bruder Brahim und sein Freund Abdelhamid Abaaoud dem radikalen Islam zuwandte.

Sein älterer Bruder Brahim war im Februar 2015 aus Syrien zurückgekehrt. Er war Mitglied des Terrorkommandos, das in den Pariser Strassencafés wahllos in die Menge feuerte. Er zündete später seinen Sprengstoffgürtel.

Abdeslam war in der Nacht geflüchtet und wurde schliesslich im Brüsseler Vorort Molenbeek aufgespürt, wo er als Sohn franko-marokkanischer Eltern aufgewachsen war.

Der Prozess hatte im September begonnen. Angeklagt sind 20 Männer, von denen sechs abwesend sind. Fünf von ihnen gelten als tot, einer sitzt in der Türkei in Haft. Neben Abdeslam sind vier Männer angeklagt, die mutmasslich für den Einsatz bei Anschlägen vorgesehen waren. Die übrigen Angeklagten haben mutmasslich logistische Hilfe geleistet, indem sie Abdeslam bei der Flucht halfen oder falsche Papiere besorgten.

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