Geisterstadt Köln – Grösste Evakuierung seit 1945

Keystone-SDA
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Deutschland,

Die Kölner City hat sich durch die grösste Evakuierung seit 1945 in eine Geisterstadt verwandelt.

Bombenentschärfung in Köln
Leer gefegte Strassen, geschlossene Geschäfte: Grösste Evakuierung seit 1945 macht Kölns Innenstadt zur Geisterstadt. (Archivbild) - dpa

Leer gefegte Strassen, geschlossene Geschäfte und eine verlassene RTL-Sendezentrale: Die Kölner City hat sich durch die grösste Evakuierung seit 1945 in eine Geisterstadt verwandelt. Mehr als 20.000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. Am Abend wurden dann am Rheinufer im Stadtteil Deutz drei amerikanische Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft.

Gegen 19.19 Uhr hatten Spezialisten des Kampfmittel-Räumdienstes alle drei Bomben unschädlich gemacht – und damit schneller als erwartet: in nur rund einer statt der veranschlagten mindestens eineinhalb Stunden. Strassen und Brücken wurden nach und nach wieder freigegeben, die Anwohner konnten in ihre Wohnungen zurückkehren. Mit Verkehrsbehinderungen musste noch eine Weile gerechnet werden.

Grösste Evakuierungsaktion in Köln seit 1945

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker dankte allen Beteiligten, «die die grösste Evakuierungsaktion in Köln seit 1945 so herausragend professionell durchgeführt haben».

In einem 1.000-Meter-Radius rund um die Fundstelle im Stadtteil Deutz hiess es zuvor: Alle müssen raus. Betroffen waren mehrere grosse Unternehmen, neun Schulen und 58 Hotels. In der Sperrzone lagen auch ein Krankenhaus, zwei Alten- und Pflegeheime, viele Museen und der Fernsehsender RTL. Auch der Bahnhof Köln-Messe/Deutz wurde gesperrt.

Weil mit der Hohenzollernbrücke am Kölner Dom zudem die meistbefahrene deutsche Eisenbahnbrücke gesperrt wurde, kam der Bahnverkehr über den Rhein zum Kölner Hauptbahnhof zum Erliegen.

Ein Verweigerer

Lediglich ein Bewohner in der Kölner Altstadt hatte sich geweigert, seine Wohnung zu verlassen und damit den Beginn der Entschärfung verzögert. Schliesslich musste auch noch eine Person in Deutz in Sicherheit gebracht werden.

Zuvor waren die Evakuierungsmassnahmen nach Plan verlaufen. Auch drei zentrale Brücken wurden für den Verkehr gesperrt. Dann sollten sich in der gesamten Evakuierungszone nur noch zwei Experten der Kampfmittelbeseitigung aufhalten.

Die am dichtesten besiedelte Innenstadt Europas leert sich

Seit dem Morgen wurden Strassensperren rund um den Sperrbezirk errichtet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes gingen umher und checkten, ob wirklich alles leer ist. Strasse für Strasse, Haus um Haus. Ein ganzes Stück Arbeit, denn die Kölner Innenstadt ist laut Ralf Mayer, Leiter des Ordnungsamtes, die am dichtesten besiedelte in ganz Europa.

Die Feuerwehr setzte erstmals testweise eine Drohne mit Kamera ein, um zu beobachten, ob sich Menschen in der Evakuierungszone aufhalten. Die Drohne sei auch mit Wärmebildkamera und einem Lautsprecher ausgestattet, sagte ein Sprecher.

Lanxess-Arena musste einen Auftritt verlegen

Der Fernsehsender RTL sendete vorübergehend aus dem Aussenbezirk Köln-Ossendorf und aus Berlin. Die Lanxess-Arena musste einen Auftritt des Komikers Tedros «Teddy» Teclebrhan auf Sonntag verlegen, die Philharmonie ein Konzert des WDR-Sinfonieorchesters wurde abgesagt.

Paare, die im Historischen Rathaus heiraten wollten, mussten ihre Hochzeit immerhin nicht absagen – allerdings findet die Trauung nun im wenig glamourösen Porz statt. Standesbeamtin Manuela Beilmann weiss den Paaren den neuen Ort jedoch schmackhaft zu machen: «Hier ist der einzige Trauort, an dem sie direkt am Rhein heiraten können – mit Blick auf den Dom», schwärmt sie im WDR.

Endlich mal keine Parkplatznot

8 Uhr, Stadtteil Deutz: Ausnahmsweise herrscht in dem rechtsrheinischen Viertel mal keine Parkplatznot. Viele Bewohner sind zu Familien oder Freunden ausserhalb der Sperrzone gefahren – oft mit Notfallgepäck im Kofferraum, denn wann sie wieder in ihre Wohnungen zurückdürfen, kann ihnen niemand sagen. «Mein Mann fährt zur Arbeit, unser Sohn geht nach der Schule zu Freunden, und ich fahre zu meinen Eltern», sagt eine Deutzerin, die gerade die Haustür hinter sich zuzieht. «Wenn es nicht anders geht, können wir da auch jeweils übernachten.»

An Laternenpfosten weisen Schilder den Weg zu Sammelplätzen, von denen ein Shuttle Service Personen, die nicht anderswo unterkommen können, zu Sammelstellen bringt. In sozialen Medien werben einige Lokale in der Nähe speziell um Menschen, die nicht nach Hause können: «Kaffeemaschine ist an und Homeoffice könnt ihr auch bei uns machen», schreibt ein Café-Besitzer. Ein Kleingartenbesitzer bietet «einen Ort zum Verweilen, auch mit Hund» an.

Die Sperrung des Zentrums der viertgrössten Stadt Deutschlands mit insgesamt 1,1 Millionen Einwohnern strahlt weit ins Umland aus. Der Hauptbahnhof befindet sich zwar nicht im Evakuierungsbereich, wurde aber mit der Sperrung der Hohenzollernbrücke vorübergehend zum Kopfbahnhof. Auch die Schifffahrt auf dem Rhein musste vorübergehend pausieren.

In NRW werden jährlich 2.000 Bomben gefunden

So wirkt der Zweite Weltkrieg auch nach über 80 Jahren immer noch in den Alltag hinein. In ganz Nordrhein-Westfalen würden pro Jahr 1.500 bis 2.000 Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, von den grossen Kalibern so wie jetzt in Köln etwa 200 pro Jahr, sagte Kai Kulschewski, Dezernent für Kampfmittelbeseitigung bei der Bezirksregierung Düsseldorf, im WDR-«Morgenecho».

Köln gehörte zu den am stärksten bombardierten Städten des Zweiten Weltkriegs. Der einsame schwarze Dom inmitten einer kompletten Trümmerwüste wurde weit über die Stadt hinaus zum Symbolbild für die Zerstörungen des Krieges. Und so ist es an diesem Tag vermutlich emotional nicht unwichtig für die Kölnerinnen und Kölner, dass ihr geliebter Dom ganz knapp ausserhalb der Sperrzone liegt. Touristen und Einwohner konnten dort weiterhin ein Kerzchen anzünden.

Kommentare

User #1825 (nicht angemeldet)

wegen drei bomben eine ganze stadt evk. hm ?

User #2576 (nicht angemeldet)

Und die 3 wurden den Amis in die Botschaft gebracht? Gehört ja schliesslich denen.

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