Französische und niederländische Ermittler haben nach eigenen Angaben das verschlüsselte Kommunikationsnetzwerk EncroChat zerschlagen.
Eurojust modifizierte unter anderem Android-Telefone
Eurojust modifizierte unter anderem Android-Telefone - AFP/Archiv
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Polizei: Fast alle Nutzer von EncroChat gehören dem organisierten Verbrechen an.

Insgesamt seien mehr als 800 Verdächtige in Europa festgenommen worden. Wie Behördenvertreter beider Staaten am Donnerstag in Den Haag mitteilten, wurde das Netzwerk fast ausschliesslich vom organisierten Verbrechen genutzt, darunter von Drogenhändlern und Auftraggebern für Morde. Der Anbieter hatte sich konkret auf den Verkauf verschlüsselter Telefone spezialisiert.

Bei einer gemeinsamen Polizeirazzia habe es in mehreren europäischen Ländern «Mehrfachverhaftungen» gegeben, viele kriminelle Handlungen wie Drogenhandel, Mord, Geldwäsche, Erpressung und Entführung seien auf diese Weise verhindert worden, erklärten Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft.

In Grossbritannien wurden nach Behördenangaben 746 Menschen festgenommen, zudem rund 60 Millionen Euro und 77 Schusswaffen sichergestellt. In den Niederlanden führten die Ermittlungen zu mehr als hundert Festnahmen und der Beschlagnahmung von mehr als 8000 Kilogramm Kokain und 1,2 Tonnen Kristallmethamphetamin. Ausserdem seien 19 Labors für synthetische Drogen entdeckt und «Dutzende von automatischen Schusswaffen» sowie «fast 25 Millionen Euro Bargeld» beschlagnahmt worden. Festnahmen gab es den Angaben zufolge auch in Norwegen, Schweden und Spanien.

«Es war, als hätten wir live am Tisch der Kriminellen gesessen», resümierte Janine van den Berg, die Leiterin der niederländischen Polizei. «Wir haben die Tatsache ausgenutzt, dass die Kriminellen blind auf die Krypto-Kommunikation vertrauten und frei sprachen», fügte ihr Kollege Andy Kraag hinzu. Er verglich die abgefangenen Informationen mit einer «Goldmine» für die Fahnder.

Insgesamt wurden nach Angaben der Behörden mehr als hundert Millionen Nachrichten über EncroChat zwischen Kriminellen auf der ganzen Welt in Echtzeit abgefangen. Die Nutzer seien erst am 13. Juni dahinter gekommen, dass sie überwacht werden. Aber es war «zu spät für sie, wir hatten bereits Zugang zu Millionen von Nachrichten», sagte Kraag.

Nach Angaben der Behörden hätten «90 bis 100 Prozent» aller EncroChat-Nutzer in Verbindung mit dem organisierten Verbrechen gestanden. Im Jahr 2020 waren etwa 50.000 verschlüsselte Telefone des Anbieters EncroChat im Umlauf, davon 12.000 in den Niederlanden.

EncroChat hatte sich auf den Verkauf verschlüsselter Telefone an kriminelle Organisationen spezialisiert und garantierte seinen Kunden «totale Anonymität». Die Ausrüstung konnte für etwa tausend Euro gekauft werden. Angeboten wurden auch Abonnements für 1500 Euro, die einen weltweiten und rund um die Uhr erreichbaren Service versprachen. EncroChat «modifizierte» Blackberrys und Android-Telefone, wobei Mikrofone, Kameras, GPS-Systeme und USB-Anschlüsse entfernt wurden. Eine verschlüsselte Nachrichten-Software des Anbieters ermöglichte aber die Kommunikation auf den Geräten.

Nach Angaben der EU-Justizverwaltung Eurojust sei die Löschung sämtlicher Nachrichten auf einem Gerät durch die Eingabe eines speziellen Pin-Codes ermöglicht worden. Viele Funktionen wurden «offensichtlich entwickelt, um die schnelle Löschung kompromittierender Nachrichten, zum Beispiel während einer Verhaftung, zu ermöglichen», gab Eurojust an. Erstmals aufmerksam auf EncroChat wurden französische Ermittler, als sie 2017 bei Razzien häufig präparierte Telefone des Anbieters fanden und feststellten, dass EncroChat Server in Frankreich nutzte.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

VerkaufMordDrogenEuroKokainNachrichtenAndroidEU