EuGH prüft Bereitschaft im Gebirge und bei der Feuerwehr
Bei einer Arbeit an abgelegenen Orten werden Ruhezeiten wohl nicht automatisch zu Bereitschaftszeiten.

Das Wichtigste in Kürze
- Gutachter: Entscheidend ist die Kontrolldichte des Arbeitgebers.
Dass zwischen den Schichten keine Möglichkeit besteht, zur eigenen Wohnung zu gelangen, ändert daran nichts, betonte jedenfalls am Dienstag der richterliche Rechtsgutachter Giovanni Pitruzzella am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Generell komme es darauf an, wie engmaschig während einer Bereitschaft die Arbeitgeberkontrolle ist und welche Spielräume dem Arbeitnehmer dann noch für seine Freizeit verbleiben. (Az: C-344/19 und C-580/19)
Der EuGH prüft derzeit zwei Fälle, in denen Arbeitnehmer die Vergütung von Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit fordern. Im ersten Fall klagte ein Sendetechniker aus Slowenien, im zweiten ein Feuerwehrmann aus Offenbach. In beiden Fällen legte Pitruzzella nun seine sogenannten Schlussanträge vor, an denen sich die obersten EU-Richter in ihrem späteren Urteil meist orientieren.
Er betonte, für die Einstufung von Rufbereitschaft als Arbeitszeit komme es letztlich auf die Einschränkungen an, denen der Arbeitnehmer unterworfen ist. Eindeutig sei die Sache, wenn eine sehr kurze Reaktionszeit den Arbeitnehmer faktisch an den Arbeitsort bindet. In anderen Fällen komme es auf weitere Umstände an, darunter auch die «mutmassliche Häufigkeit der Einsätze». Denn bei häufigen Einsätzen würden sich die Möglichkeiten der Freizeitplanung «fast auf Null reduzieren».
Der Sendetechniker war viereinhalb Jahre lang in Unterkünften im Gebirge untergebracht, um dort im Schichtdienst mit einem Kollegen Rundfunk-Sendeanlagen zu kontrollieren und zu warten. Ausserhalb seiner Arbeitszeit musste er auf Anforderung innerhalb einer Stunde an der Sendeanlage sein. Er macht geltend, dass es dort ohnehin keinerlei Freizeitmöglichkeiten gebe und er zwischen seinen Schichten nicht nach Hause gelangen konnte. Faktisch sei er rund um die Uhr an seinen Arbeitsort gebunden gewesen. Nach Überzeugung Pitruzzellas spielt die Abgelegenheit des Arbeitsorts aber keine Rolle, so dass der Sendetechniker wohl keinen Arbeitslohn rund um die Uhr beanspruchen kann.
Der Offenbacher Feuerwehrmann ist in seinen Bereitschaftszeiten verpflichtet, bei einem Ruf innerhalb von 20 Minuten in Einsatzkleidung und mit seinem Einsatzfahrzeug an der Offenbacher Stadtgrenze zu sein. Hierzu erklärte Pitruzzella, dies und weitere Umstände deuteten darauf hin, dass während der Bereitschaften «die tatsächliche Ruhezeit des Arbeitnehmers nicht sichergestellt ist».
Zu beiden Fällen wird der EuGH voraussichtlich im kommenden Frühjahr entscheiden.