Seit 2017 sind im Ausland geschlossene Ehen automatisch unwirksam, wenn einer der Partner noch unter 16 war. Der Bundesgerichtshof hält das für problematisch. Was sagen die Verfassungsrichter dazu?
Das Bundesverfassungsgericht äussert sich zur Rechtmässigkeit des Verbots von Kinderehen.
Das Bundesverfassungsgericht äussert sich zur Rechtmässigkeit des Verbots von Kinderehen. - Boris Roessler/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Wie umgehen mit sehr jung Verheirateten aus dem Ausland, die in Deutschland gar keine Ehe schliessen dürften? Die schwarz-rote Bundesregierung hatte sich 2017 für ein konsequenteres Vorgehen gegen solche Kinderehen entschieden - aber es gibt Bedenken, ob das zu weit geht.
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Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2018 das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet. Jetzt gibt es eine Entscheidung, heute (9.30 Uhr) wird sie veröffentlicht.

Die grosse Koalition aus CDU/CSU und SPD hatte Handlungsbedarf gesehen, weil vor dem Hintergrund gestiegener Flüchtlingszahlen auch vermehrt minderjährige Verheiratete nach Deutschland gekommen waren. «Kinder heiraten nicht, Kinder werden verheiratet», hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) damals gesagt.

Darum geht es konkret

Nach der seither geltenden Rechtslage muss man volljährig sein, um heiraten zu können. War ein Partner erst zwischen 16 und 18 Jahre alt, soll die Ehe durch richterliche Entscheidung aufgehoben werden. War einer von beiden noch unter 16, ist die Ehe automatisch unwirksam. Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Ehen nach ausländischem Recht wirksam geschlossen wurden.

In Karlsruhe geht es nur um die letzte Gruppe, also die Unter-16-Jährigen. Der BGH hätte die neue Vorschrift im Fall eines syrischen Paares anwenden müssen, hielt sie aber für verfassungsrechtlich problematisch, weil die Wirksamkeit der Ehe generell und ohne Rücksicht auf konkrete Umstände versagt werde. In einer solchen Situation sind Gerichte verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Verfassungsgerichts einzuholen.

Diskussionen um Karlsruher Verfahren

In dem Fall ging es um ein Mädchen, das 2015 in Syrien mit 14 Jahren vor einem Scharia-Gericht einen sieben Jahre älteren Mann geheiratet hatte. Wenig später flüchteten beide nach Deutschland. Hier wurde die Jugendliche von ihrem Mann getrennt und in einer Einrichtung für weibliche minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Zum Vormund wurde das städtische Jugendamt bestellt. Dieses wollte vor Gericht durchsetzen, dass die Jugendliche ihren – einstigen – Ehemann nur noch einmal die Woche für drei Stunden unter Aufsicht treffen darf.

Das Karlsruher Verfahren hatte auch deshalb für Diskussionen gesorgt, weil Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth 2017 noch Fraktionsvize der Union im Bundestag war. Harbarth, der Vorsitzender des für das Verfahren zuständigen Ersten Senats ist, hatte selbst angegeben, «intensiv in die Vorbereitung und Verabschiedung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen eingebunden» gewesen zu sein. Seine Senatskolleginnen und -kollegen sahen trotzdem keinen Anlass, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Sie entschieden 2019, dass er das Verfahren mit bearbeiten kann. (Az. 1 BvL 7/18)

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