Heute Sonntag findet in Belarus die Präsidentenwahl statt. Diese wird von Protesten und Festnahmen überschattet.
Alexander Lukaschenko in seinem Wahllokal in Minsk. Foto: Sergei Grits/AP/dpa
Alexander Lukaschenko in seinem Wahllokal in Minsk. Foto: Sergei Grits/AP/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Belarus findet heute die Präsidentenwahl statt.
  • Alexander Lukaschenko strebt eine sechste Amtszeit an.
  • Im Vorfeld der Wahl wurden bereits Hunderte Aktivisten und Demonstranten festgenommen.

Fast sieben Millionen Menschen sind in Belarus zur Präsidentenwahl aufgerufen. Staatschef Lukaschenko zeigt sich nach einem Vierteljahrhundert an der Macht wieder siegessicher. Am Wahltag gibt es massive Internetprobleme. Überschattet wird die Wahl von Protesten und Festnahmen.

Der amtierende Staatschef Alexander Lukaschenko versicherte, alles sei unter Kontrolle. «Das Land wird morgen nicht ins Chaos oder einen Bürgerkrieg stürzen», sagte Lukaschenko nach der Stimmabgabe in der Hauptstadt Minsk. «Das garantiere ich.» Der 65-Jährige ist seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht.

Lukaschenko, den Kritiker als «letzten Diktator Europas» bezeichnen, strebt eine sechste Amtszeit an. Wiederholt warnte er vor Unruhen. Im Vorfeld der Wahl wurden bereits Hunderte Aktivisten und Demonstranten festgenommen. Hoffnungsträgerin der Opposition ist die politisch unerfahrene Kandidatin Swetlana Tichanowskaja. Sie hatte bei Kundgebungen Tausende Menschen mobilisiert, die grössten Protestaktionen seit Jahren. Zudem stehen drei weitere Kandidaten zur Wahl.

Lukaschenko steht unter Druck

In dem Land zwischen Polen und Russland sind insgesamt etwa 6,8 Millionen Menschen wahlberechtigt. Die knapp 5800 Wahllokale sind seit Sonntag um 7.00 Uhr MESZ geöffnet. Bereits seit Dienstag gab es die Möglichkeit, vorzeitig die Stimme abzugeben. Nach Angaben der Wahlleitung lag die Beteiligung gegen Mittag bei 54 Prozent. Kritiker gehen von massiver Wahlfälschung aus. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verzichtete dieses Mal darauf, die Abstimmung beobachten zu lassen.

Präsidentenwahl in Belarus - Ukraine
Ein belarussischer Bürger hält ein Schild mit der Aufschrift «Bitte zählen Sie fair - ein Mann hat das Recht zu wählen» vor der belarussischen Botschaft in Kiew, während belarussische Wähler und Wählerinnen davor Schlange stehen, um ihre Wahlstimme bei der Präsidentenwahl abzugeben. - dpa

Lukaschenko steht nach den massiven Protesten und der Corona-Krise, die er stets kleingeredet hat, unter Druck. Menschenrechtler warnten bereits, dass die Behörden auch nach der Wahl mögliche Proteste brutal niederschlagen könnten. In den Stunden vor der Wahl wurden bereits Mitarbeiter Tichanowskajas festgenommen. Details waren zunächst nicht bekannt. Lukaschenko behauptete, es habe keine Unterdrückung von Oppositionellen gegeben.

Der Wahltag selbst verlief anfangs ruhig. Bürger, Regierungsgegner und Medien beklagten jedoch massive Internet-Probleme. Die Opposition hatte seit Tagen vor einer Abschaltung gewarnt. Die Behörden wollten verhindern, dass sich Protest organisiert, hiess es. Viele regierungskritische Portale waren gar nicht mehr aufrufbar. Selbst Korrespondenten russischer Staatsmedien beklagten, dass nichts mehr funktioniere. Tichanowskajas Bewegung «Ein Land zum Leben» veröffentlichte Augenzeugenberichte über Wahlfälschungen.

Opposition hat zu friedlichen Protesten aufgerufen

In sozialen Netzwerken gab es Fotos von Militärfahrzeugen an den Zufahrten zur Hauptstadt. Die Opposition hat zu friedlichen Protesten gegen die Wahlfälschung von Sonntagabend an aufgerufen. Solche Proteste könnten Tage dauern, hiess es. Für Demonstranten gibt es im Internet ganze Handlungsanleitungen – mit Uhrzeit und Ort von Kundgebungen bis hin zu Hinweisen für passendes Schuhwerk und ausreichend Verpflegung.

Präsidentenwahl in Belarus
Wählerinnen stimmen während der Präsidentschaftswahlen in einem Wahllokal in Minsk ab. - dpa

Auch die Beziehungen zwischen Moskau und Minsk waren zuletzt belastet worden, weil Belarus vor gut einer Woche mehr als 30 mutmassliche Söldner festgenommen hatte. Viele der Männer sollen Russen sein. Lukaschenko warf ihnen vor, Unruhe stiften zu wollen. Der Fall werde nun von einem Ermittlungskomitee genau untersucht, sagte Lukaschenko. Er habe von Kremlchef Wladimir Putin einen fünf Seiten langen Brief dazu bekommen. Die Beziehungen zu Russland seien weiter stark.

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