Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat mit seinem Aufruf zu Booster-Impfungen für alle für harsche Kritik in der Ärzteschaft gesorgt.
Biontech
Impfdosen von Biontech - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Kanzlerin Merkel angesichts der Corona-Infektionslage besorgt.

«Für die Notwendigkeit von Auffrischimpfungen für Menschen jeglichen Alters gibt es bisher keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz», sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Samstag. Kassenärzte-Chef Andreas Gassen warnte vor «blindem Aktionismus». Unterdessen zeigte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) besorgt angesichts der Entwicklung der Infektionszahlen.

Spahn hatte am Freitag gesagt, jeder, der eine sogenannte Booster-Impfung mache, «tut auch was dafür, dass wir sicher durch den Winter kommen». Er wandte sich vor allem an Ältere und medizinisches Personal. Der Minister sagte aber auch, es sei genug Impfstoff da, dass alle, die wollten, eine Auffrischung bekommen könnten.

Bei älteren Menschen könne die Booster-Impfung das Infektionsrisiko tatsächlich erheblich reduzieren, da im höheren Alter die Immunantwort häufig schwächer ausfalle und es daher zu Impfdurchbrüchen kommen könne, sagte Reinhardt dazu. Er warf der Politik eine mangelnde Aufklärungs- und Informationspolitik vor. «Es wäre jetzt eigentlich Aufgabe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über die Booster-Impfung für ältere Menschen zu informieren und auch mit den Falschinformationen in den sozialen Netzwerken aufzuräumen.»

Die Hausärzte äusserten sich ebenfalls kritisch zu Spahns Aufruf. «Wir sind verärgert, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Erwartungen schürt, Booster-Impfungen seien für alle möglich», sagte Bundesvorstandsmitglied Armin Beck dem RND. «Die Hausärzte folgen der Empfehlung der Ständigen Impfkommission und diese empfiehlt aktuell Drittimpfungen nur für über 70-Jährige und wenige andere Gruppen.»

Der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands, Markus Beier, sprach im Deutschlandfunk mit Bezug auf Spahn von einer «nicht gerade günstigen Kommunikation». Der Impfkampagne sei nicht geholfen, wenn vor jeder Praxis nun täglich hundert junge Menschen ohne Risikofaktoren stünden. Der Fokus müsse bei den Älteren liegen.

Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Gassen, sagte dem Portal «Business Insider», nicht für Jeden mache das Boostern Sinn. «Wir brauchen nicht in blinden Aktionismus zu fallen. Jetzt wäre es mindestens genauso wichtig, wenn sich möglichst viele Nichtgeimpfte noch vollständig impfen liessen.»

Diesen Appell äusserte auch Merkel im Gespräch mit der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Die aktuelle Entwicklung «bereitet mir grosse Sorgen», sagte sie der Zeitung. «Sie sollte uns allen Sorgen bereiten.» Derzeit mache sich allerdings «schon wieder eine gewisse Leichtfertigkeit breit».

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen steigt seit zwei Wochen stetig an. Angaben des Robert-Koch-Instituts vom Samstagmorgen zufolge lag sie zuletzt bei 145,1, am Vortag hatte der Wert bei 139,2 gelegen, vor einer Woche bei 100. Die Inzidenz gibt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen an.

Merkel sagte dazu der «FAS», es stimme sie «traurig», dass noch immer «zwei, drei Millionen Deutsche über 60 ungeimpft sind». Denn das könne «einen Unterschied machen», für die Menschen selbst, wie für die ganze Gesellschaft. Es gelte daher, weiter für das Impfen zu werben.

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