Weniger arbeiten fürs gleiche Geld – klingt aus Arbeitnehmersicht gut. Auch Unternehmen können was davon haben, allerdings nicht in allen Fällen.
35 stunden woche
Am Freitag frei: Ist die 35-Stunden-Woche ein Zukunftsmodell? (Symbolbild) - Hendrik Schmidt/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Aktuell wird eine 35-Stunden-Woche bei gleichbleibendem Lohn diskutiert.
  • Bei der Deutschen Bahn soll sie bis 2029 eingeführt werden.
  • Was spricht dafür und was dagegen?
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In der westdeutschen Metallindustrie gilt die 35-Stunden-Woche bei gleichbleibendem Lohn bereits seit 1996. Bei der Deutschen Bahn soll sie nach der Einigung mit der Lokführergewerkschaft GDL schrittweise als Wahlmöglichkeit bis 2029 eingeführt werden.

Arbeitgeber fordern angesichts des Fachkräftemangels dagegen teilweise eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche.

35-Stunden-Woche: Pro Arbeitszeitverkürzung

Nach Einschätzung von Oliver Stettes, Arbeitswelt-Experte, kann es für einzelne Firmen sinnvoll sein, «kürzere Arbeitszeiten anzubieten. Dies muss allerdings wirtschaftlich tragfähig und organisatorisch umsetzbar sein, um seine Attraktivität für Bewerberinnen und Bewerber zu steigern». Ob dies zweckmässig oder möglich sei, lasse sich aber nicht pauschal sagen.

Forscher Eike Windscheid-Profeta von der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung verweist auf positive Effekte kürzerer Arbeitszeiten. Darunter zählen geringere Fehlzeiten und höhere Motivation von Beschäftigten. Die 35-Stunden-Woche in der Metall- und Elektroindustrie habe sich Analysen zufolge zudem positiv auf die Produktivität ausgewirkt.

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Im Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie hat die IG Metall erste Warnstreiks angekündigt. Es könnte zu einer 35-Stunden-Woche kommen. - Hauke-Christian Dittrich/dpa

«Weder die bestehenden Pilotierungen im Zusammenhang mit aktuellen Vorhaben rund um die 4-Tage-Woche respektive 32-Stunden-Woche (...) noch die Erfahrungen mit Arbeitszeitverkürzung weisen darauf hin, dass hiermit Wohlstandsverluste einhergehen», fasst Windscheid-Profeta zusammen.

Der Arbeitszeitberater Guido Zander sagte im SWR: «Es kommt darauf an, was ich an Gegenrechnungseffekten habe: Wenn ich eine sehr hohe Krankenquote habe und berechtigt glauben kann, dass die runtergeht, dann ist das natürlich ein Gegenfinanzierungselement».

35-Stunden-Woche: Kontra Arbeitszeitverkürzung

Stettes sieht gesamtwirtschaftlich keine Spielräume für kollektive Arbeitszeitverkürzungen. «Um zum Beispiel eine Verkürzung wirtschaftlich tragfähig zu gestalten, benötigen wir eigentlich einen Produktivitätszuwachs von 25 Prozent pro Arbeitsstunde.» So argumentiert der IW-Experte.

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Hinzu kommt: «Wir werden durch den Renteneintritt der Babyboomer in den Ruhestand in erheblichem Ausmass Arbeitsstunden verlieren. Weil die Anzahl der nachrückenden Jahrgänge schlicht kleiner ist», sagt Stettes. Eine kollektive Arbeitszeitverkürzung würde diesen Rückgang noch verstärken. «Das senkt die Standortattraktivität, der bereits heute auch daran leidet, dass wir Fachkräfteengpässe haben.»

Zugleich würden die Finanzierungsanforderungen an die Sozialversicherungen und bei öffentlichen Haushalten steigen, argumentiert der IW-Forscher: «Kollektive Arbeitszeitverkürzungen würden uns schlicht ärmer machen.»

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