Sennheiser Conversation Clear Plus im Nau.ch-Test - Luft nach oben

Nicht nur tolle Kopfhörer, sondern auch eine Hör-Stütze sollen die Sennheiser Conversation Clear Plus sein. Für 900 Stutz gelingt das noch nicht so ganz.

Das Wichtigste in Kürze

Die neuen Earbuds von Sennheiser ein Produkt der Superlative – zumindest preislich.
Nicht nur als Kopfhörer, sondern auch als «Hör-Stütze» dienen die Conversation Clear Plus.
Für 900 Franken funktioniert das in der Praxis jedoch nicht so ganz gut.

Vor bald einem Jahr hat der Schweizer Audio- und Hörgeräte-Spezialist Sonova die Kopfhörer-Sparte von Sennheiser aufgekauft. Was jetzt daraus entstanden ist, ist folgerichtig eine Kreuzung aus modernen Earbuds und einer «Hör-Stütze». Mit einer UVP von 889 Franken schlagen die Sennheiser Conversation Clear Plus ordentlich teuer zu Buche. Zudem kommt das Ganze leider nicht ganz ohne Mängel und Kinderkrankheiten aus.

Disclaimer: Es handelt sich hier natürlich um kein medizinisches Hörgerät und kann auch nicht als solches bezeichnet werden. Das «Hörgerät-Feature» dient lediglich zur Verbesserung der Sprachverständlichkeit.

Das taugen die Conversation Clear Plus als Kopfhörer

Die Probleme starten bei mir direkt bei der ersten Inbetriebnahme. Eine halbe Stunde lang musste ich mit mehreren Handys versuchen, eine Verbindung herzustellen. Wo andere Kopfhörer das praktisch von selbst erledigen, ist dies bei Sennheisers CCP ein mehrteiliger Prozess. Zuerst müssen die Kopfhörer mit dem Handy gekoppelt, dann nochmals individuell mit der App verbunden und eingerichtet werden.

Einmal verbunden kann es dann aber endlich mit dem Musikhören losgehen. Womit wir schon bei einem der wichtigsten Punkte wären, der Klang!

Direkt beim ersten Lied fällt auf, dass hier ein möglichst neutraler Klang angepeilt wird. Das hat jedoch zur Folge, dass in meinen Ohren alles etwas flach klingt. Ganz generell scheint der Dynamikumfang hier recht limitiert zu sein. Etwa in der zweiten Hälfte von Billie Eilish's «Happier Than Ever» verlieren sich Instrumente und ihre Stimme in wildem Durcheinander.

Zudem übersteuern die Tieftöner schnell, sobald der Bass etwas mehr ausschlägt. Dies ist gut hörbar zu Beginn des A-Trak-Remix von «Heads will roll», wo die Kick-Drum von unschönen Artefakten begleitet wird.

Obendrauf sorgt das Active Noise Cancelling gerade bei leiseren Passagen für ein kratziges weisses Rauschen. Wer etwa klassische Musik geniesst, wird dies deutlich merken.

Apropos Noise Cancelling: Auch dieses lässt hier zu wünschen übrig. Dumpfe Hintergrundgeräusche werden ganz gut überspielt, höhere Frequenzen blockieren die CCP jedoch nicht ganz so gut.

Wer also nur guten Kopfhörern sucht, kriegt für ein Drittel des Preises viel bessere Optionen, auch bei Sennheiser selbst. Doch diese Stöpsel versprechen ja noch einiges mehr.

Ohrstöpsel als Hörstütze?

Und tatsächlich, der Transparenzmodus – Sennheiser nennt ihn «Conversation Mode» – ist bombastisch. Je nach Einstellung geht dieser von «Trage ich überhaupt Kopfhörer?» zu «Oh Gott, ich habe ein Supergehör entwickelt!» Unterstützt wird dies von einer intelligenten Steuerung, welche den Modus je nach Situation noch besser anpasst.

So ist es etwa möglich, eine Konversation mit dem Gegenüber auch in einer lauten Umgebung locker zu verfolgen. Wer das Ganze auf Maximum setzt, kann auch Konversationen im Flüsterton am anderen Ende des Raums mithören.

Ein weiteres grosses Lob gebührt hier dem Akku, neun Stunden pro Stöpsel werden hier geliefert. Das reicht, um die CCP ohne Unterbruch für einen ganzen Arbeitstag zu nutzen. Mir wurden die Stöpsel nach rund vier Stunden jedoch etwas unbequem. Das – recht grosse – Case lädt die Earbuds zudem noch zwei volle Male auf.

Eine halbgare App und weitere Kinderkrankheiten

Schon zu Beginn hatte ich ja die komplizierte Einrichtung erwähnt. Auch im Anschluss wird die Verwendung dieser Kopfhörer leider nicht intuitiver. In der App lassen sich die drei Modi «Relax», «Conversation» und «Streaming» auswählen.

Sprich Noise Cancelling, Transparenz und Musikhören, letzteres wahlweise mit Noise Cancelling oder Transparenz. Warum das nicht in zwei Optionen geht, erschliesst sich mir nicht.

Per Knöpfen an den Stöpseln kann auch manuell zwischen den Modi gewechselt werden. Ein doppeltes Tippen pausiert die Musik, oder setzt diese wieder fort. Weitere Steuerungsmöglichkeiten der Wiedergabe gibt es nicht.

Auch die Lautstärke kann nicht per se angesteuert werden, lediglich wie viel Aussengeräusche hereingelassen oder blockiert werden. «Musik leiser» bedeutet dann also zwangsläufig auch «Aussenwelt lauter». Wer nur leiser oder lauter will, muss dies am Smartphone einstellen.

Ausserdem kommt es immer mal wieder zu Verbindungsaussetzern und asynchroner Wiedergabe auf den beiden Seiten.

Sennheiser Conversation Clear Plus: Ein Produkt der ersten Generation

Was sich hier klar abzeichnet ist, dass es sich um einen ersten Versuch eines neuen Produkts handelt. Der Klang scheint hier an Priorität verloren zu haben, was gerade für Sennheiser-Verhältnisse schade ist. Einzig der Konversationsmodus hält, was er verspricht.

Sonst handelt es sich hier eher um eine Sammlung nicht zu Ende gedachter Ideen. Ob das wirklich 889 Franken wert ist, erscheint mir zweifelhaft. Es bleibt zu hoffen, dass eine zweite Generation die Kinderkrankheiten ausmerzt.