Ärzte setzen Patient Schweineleber ein – er stirbt
Ein chinesisches Ärzteteam hat erstmals eine Schweineleber in einen Patienten eingesetzt. Der Fallbericht wirft nach Komplikationen aber weitere Fragen auf.

Das Wichtigste in Kürze
- In China wurde zum ersten Mal eine Schweineleber in lebenden Menschen transplantiert.
- Das eingesetzte Organ musste jedoch am 38. Tag wegen Komplikationen entfernt werden.
- Der Fallbericht zeigt laut Studie Potenzial als auch verbleibende Hürden auf.
Chinesische Ärzte haben weltweit erstmals eine Schweineleber in einen lebenden Menschen eingesetzt. Der 71-Jährige habe nach dem Eingriff noch 171 Tage gelebt, berichtet das Ärzteteam im «Journal of Hepatology».
Das zur Unterstützung der eigenen geschädigten Leber eingesetzte Organ sei allerdings bereits am 38. Tag aufgrund von Komplikationen wieder entfernt worden, berichtet das Ärzteteam im Fachmagazin.
Die Operation öffne noch nicht die Tür für eine breite klinische Nutzung gentechnisch veränderter Schweinelebern. Das betonen Experten in einem unabhängigen Kommentar. Der Fallbericht werfe mehr Fragen als Antworten auf, aber auch das sei von grossem Wert.
Transplantation zeigte Hürden auf
Studienleiter Beicheng Sun von der Anhui Medical University in China erklärte: Der Versuch beweise, dass eine gentechnisch veränderte Schweineleber über einen längeren Zeitraum im menschlichen Körper funktionieren könne.
Er zeige sowohl das Potenzial als auch verbleibende Hürden auf, insbesondere in Bezug auf Gerinnungsstörungen und immunologische Komplikationen.
Eine grosse Hoffnung im Kampf gegen den Mangel an Organen ist die sogenannte Xenotransplantation: die Verpflanzung tierischer Organe, Gewebe oder Zellen.
Schweineherzen und -nieren wurden in Versuchen bereits in Menschen transplantiert, im August wurde eine Schweinelunge in einen hirntoten Menschen verpflanzt.
Technik birgt grosse Herausforderungen
Auch eine Schweineleber wurde kürzlich transplantiert – allerdings in einen hirntoten Menschen. Diese Leber funktionierte bis zum Versuchsende nach zehn Tagen.
Die Technik birgt grosse Herausforderungen: Schon bei Transplantationen zwischen Menschen muss das Immunsystem des Empfängers unterdrückt werden, damit das Organ nicht abgestossen wird.
Bei tierischen Organen ist der Unterschied noch grösser. Die genutzten Schweine werden zuvor genetisch verändert, um die Abstossungsreaktionen geringer ausfallen zu lassen.
Der 71-Jährige in China habe an einer Hepatitis-B-bedingten Zirrhose und einem grossen Leberzellkarzinom gelitten. So hiess es von Suns Team.
Patient starb an Komplikationen
Das Erbgut des Spenderschweins wurde demnach an zehn Stellen verändert. Dies, um Abstossungsreaktionen zu vermeiden und die Immun- und Gerinnungskompatibilität zu fördern.
In den ersten Wochen gab es der Studie zufolge kaum Probleme. Das Organ habe auch Galle produziert.

Ab dem 31. Tag jedoch habe es Komplikationen an Blutgefässen gegeben, am 38. Tag sei die Leber daher wieder entfernt worden. Der Zustand des Mannes habe sich daraufhin für einige Wochen wieder verbessert.
«Leider kam es am 135. Tag nach der Operation zu einer plötzlichen Blutung im oberen Magen-Darm-Trakt», hiess es von den Forschenden. Die Blutungen hätten schliesslich am 171. Tag nach der Operation zum Tod geführt.
Experte spricht von bedeutendem Fortschritt
Daniel Reichart von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München sagte: Die Studie sei im Vergleich zu früheren Arbeiten als bedeutender Fortschritt im Bereich der Xenotransplantation zu werten.
Die Xenotransplantation einer Leber gilt als besonders herausfordernd. Unter anderem, weil die von der Leber produzierten Eiweisse sehr spezifisch für Menschen sind.
Es sei zu erwarten gewesen, dass die Syntheseleistung der transplantierten Leber aufgrund artspezifischer Unterschiede eingeschränkt sein würde, sagte Reichart.
«Ergebnisse ermutigend»
«Dennoch sind die Ergebnisse ermutigend. Sie zeigen, dass mit weiterer Forschung und verbessertem Verständnis auch im Bereich der Xeno-Lebertransplantation Fortschritte möglich sind.»
Die Studie gebe Anlass zu vorsichtigem Optimismus, erinnere aber auch daran, wie stark das Feld sich noch weiterentwickeln müsse. So heisst es in einem zur Studie veröffentlichten Kommentar einer Forschergruppe um Heiner Wedemeyer von der Medizinischen Hochschule Hannover.
Die Daten zeigten, dass eine Xenoleber zumindest vorübergehend wichtige Leberfunktionen übernehmen könne.
Unter Behandlung mit acht das Immunsystem unterdrückenden Medikamenten habe die Schweineleber im Patienten eine akzeptable Funktion gezeigt. Allerdings auch anhaltend hohe Bilirubinwerte, die auf eine gestörte Bilirubinverarbeitung in der Leber hinweisen.
Bilirubin entsteht beim Abbau roter Blutkörperchen, wird in der Leber verarbeitet und über die Galle ausgeschieden.
Eine breite und transparente Diskussion ethischer, kultureller und religiöser Belange sei dringend erforderlich. Nur so könne die Leber-Xenotransplantation eine breitere Akzeptanz finden, so die Gruppe um Wedemeyer.