Es ist der Polizeieinsatz mit den meisten Toten in der Geschichte Rios: 29 Menschen sterben - viele von ihnen sollen in Drogengeschäfte verwickelt gewesen sein. Angehörige von Opfern protestieren.
Proteste am Tag nach dem tödlichen Polizeieinsatz: Eine Frau zeigt eine Schuluniform mit einem Blutfleck. Foto: Andre Borges/dpa
Proteste am Tag nach dem tödlichen Polizeieinsatz: Eine Frau zeigt eine Schuluniform mit einem Blutfleck. Foto: Andre Borges/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nach einem der blutigsten Polizeieinsätze in der Geschichte der brasilianischen Millionenmetropole Rio de Janeiro hat sich die Zahl der Toten offensichtlich auf 29 erhöht.

Dies berichtete das brasilianische Nachrichtenportal «G1» unter Berufung auf die Polizei.

Demnach kamen bei den heftigen Gefechten zwischen mutmasslichen Mitgliedern von Drogenbanden und der Polizei in der Favela Jacarezinho 28 Verdächtige und ein Beamter der Anti-Drogen-Einheit ums Leben. Alle Verdächtigen seien in Drogengeschäfte verwickelt gewesen, sagte der Polizeisekretär Allan Turnowski bei der Beerdigung des getöteten Beamten. Drei der Verdächtigen waren laut «G1» von der Staatsanwaltschaft wegen Drogenhandels angeklagt und wurden von der Polizei gesucht. Die Untersuchung weise darauf hin, dass sie in der organisierten Kriminalität in dem Armenviertel im Norden Rios agierten.

Zuvor hatte es geheissen, mindestens 25 Menschen, unter ihnen 24 Verdächtige, seien bei den Gefechten am Donnerstag, bei denen Schüsse und Explosionen zu hören gewesen waren, getötet wurden.

Nach Angaben des Nachrichtenportals «G1», das Informationen der staatlichen Universität UFF und der App «Fogo Cruzado» (Kreuzfeuer) auswertete, die Daten über bewaffnete Gewalt sammelt, war dies der Polizeieinsatz mit den meisten Toten in der Geschichte Rio de Janeiros. Im vergangenen Juli hatte der Oberste Gerichtshof in Brasília Polizeieinsätze in Favelas während der Corona-Pandemie ausgesetzt. Diese sind nur in «absoluten Ausnahmefällen» erlaubt.

Aktivisten, Anwohner und Angehörige von Opfern protestierten bei einer Kundgebung in Jacarezinho und forderten Gerechtigkeit. Sie erinnerten mit Kerzen an die Getöteten, viele weinten. Der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Claudio Castro, verteidigte die Operation. «Die Landesregierung ist am meisten daran interessiert, die Umstände der Ereignisse in Jacarezinho aufzuklären», sagte Castro. Polizeibeamte werden aber nur selten strafrechtlich untersucht oder belangt.

Die Favela Jacarezinho gilt als einer der Stützpunkte des «Comando Vermelho» (Rotes Kommando) im Norden Rios. Mächtige Verbrechersyndikate wie das «Comando Vermelho» und eine Reihe kleinerer Banden ringen in den Armenvierteln um die Kontrolle von Drogenhandel und Schutzgeldgeschäft. Die Gewalt schwappt immer wieder auch auf andere Teile Rios über und trifft Unbeteiligte.

In keinem anderen Land der Welt kommen so viele Menschen bei Polizeieinsätzen ums Leben wie in Brasilien. Im Jahr 2019 töteten Sicherheitskräfte in dem südamerikanischen Land 5804 Menschen, wie aus einem Gewaltmonitor hervorgeht, der von «G1», dem Brasilianischen Forum für öffentliche Sicherheit und der Universität von São Paulo betrieben wird. Zum Vergleich: In den USA erschossen Polizisten im Jahr 2019 1098 Menschen, in Deutschland wurden 14 Personen von Beamten getötet.

Die Verhältnisse sowie die Arbeitsbedingungen der Polizei in Europa lassen sich nicht mit denen in Brasilien vergleichen: Viele Armenviertel werden von schwer bewaffneten Drogenbanden kontrolliert. Brasiliens Vizepräsident Hamilton Mourão verglich die Situation mit einem Krieg: Die Polizei sei ausgerückt, um Haftbefehle zu vollstrecken, die im Zusammenhang mit der Ausbeutung von Minderjährigen für den Drogenhandel standen. Am Eingang sei ein Polizist von einem Banditen in den Kopf geschossen worden.

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