In Sierra Leones Hauptstadt Freetown sind am Sonntag Unbekannte gewaltsam in mehrere Einrichtungen eingedrungen. Ecowas berichtet von einer «Verschwörung».
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Julius Maada Bio, Präsident von Sierra Leone, zu Beginn des Transforming Education Summit im Hauptquartier der Vereinten Nationen. Nach einem Überfall auf ein Waffenlager des Militärs hat die Regierung im westafrikanischen Sierra Leone eine landesweite Ausgangssperre verhängt. Foto: Seth Wenig/AP/dpa - keystone

Unbekannte Täter haben im westafrikanischen Sierra Leone am Sonntag ein Waffenlager des Militärs und mehrere Gefängnisse überfallen. In dem Waffenlager, das sich in der Nähe der Residenz von Präsident Julius Maada Bio in der Hauptstadt Freetown befindet, war es in den frühen Morgenstunden zu Schusswechseln gekommen, teilte das Informationsministerium am Sonntag mit. Die Regierung verhängte daraufhin eine landesweite Ausgangssperre und leitete eine Grossfahndung nach den Tätern ein. Die Situation sei aber unter Kontrolle, hiess es.

Bio bezeichnete den Vorfall als einen «Sicherheitsverstoss», versicherte seinen Bürgern jedoch, die Ruhe im Land sei wiederhergestellt und seine Regierung «entschlossen, die Demokratie in Sierra Leone zu schützen».

Später am Sonntag bestätigte Informationsminister Cherno Bah, die Täter hätten auch mehrere Haftanstalten angegriffen, einschliesslich eines Hochsicherheitsgefängnisses in Freetown. «Einige Gefangene wurden von den Angreifern entführt, während viele andere freikamen», sagte Bah. Am Sonntagnachmittag machten Sicherheitskräfte nach Angaben von Bah Fortschritte in der Fahndung nach den Angreifern.

«Die Regierung behält weiter die Kontrolle und den Überblick über die Lage» so Bah. Die Lage in der Hauptstadt sei ruhig.

EU: «Keine Rechtfertigung für gewaltsame Besetzung»

Die US-Botschaft in Sierra Leone verurteilte den Überfall «aufs Schärfste». «Solche Aktionen haben keine Rechtfertigung. Wir fordern uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den laufenden Einsätzen der Sicherheitskräfte der Regierung zur Inhaftierung der Verantwortlichen», hiess es in einer Mitteilung der Botschaft auf der Plattform X.

Auch die Vertretung der Europäischen Union in Sierra Leone forderte die Achtung der verfassungsmässigen Ordnung im Land. «Es gibt keine Rechtfertigung für die gewaltsame Besetzung von Militärkasernen», hiess es in einem X-Post.

Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas teilte mit, sie habe «mit völliger Abscheu vor einer Verschwörung erfahren, sich Waffen zu beschaffen und den Frieden und die verfassungsmässige Ordnung zu stören». Die Staatengemeinschaft bekräftigte ihre «Null-Toleranz gegenüber verfassungswidrigen Regierungswechseln».

Julius Maada Bio «Vater der modernen Demokratie» in Sierra Leone

Ende Juni war Bio trotz einer schweren Wirtschaftskrise in dem kleinen Küstenstaat mit 8,8 Millionen Einwohnern wiedergewählt worden. Einen Monat später nahm die Polizei mehrere ranghohe Offiziere wegen der Vorbereitung eines Aufstands fest.

Sierra Leone, das von der Fläche etwa Bayern entspricht, erlebte von 1991 bis 2002 einen der schlimmsten Bürgerkriege Afrikas mit Zehntausenden Toten. 2014 stürzte ein Ebola-Ausbruch das Land in eine weitere jahrelange Krise. Die Wirtschaft hat sich seitdem nicht erholt. Viele Menschen, vor allem auf dem Land, leben unter extremer Armut.

Bio, der 1996 zwei Monate nach einem Militärputsch regierte und zum Übergang zu den ersten freien Wahlen seit Jahrzehnten beitrug, wird von vielen als «Vater der modernen Demokratie» des Landes verehrt. Seine seit 2018 amtierende Regierung führte kostenlose Schulbildung ein, förderte Gleichberechtigung, Wissenschaft und die Infrastruktur des Landes. Gleichzeitig steht Bio auch wegen seines Vorgehens gegen Gegner in der Kritik. Bei der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten durch staatliche Sicherheitskräfte waren im August mehr als 20 Demonstranten und sechs Polizisten ums Leben gekommen.

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