Israels Sicherheitskabinett hat eine Ausweitung des Militäreinsatzes gegen die Hamas im Gaza beschlossen. In Tel Aviv wurde erneut ein Raketenalarm ausgelöst.
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Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Militäreinsatz gegen die islamistischen Hamas im Gazastreifen wird ausgeweitet.
  • In der israelischen Grossstadt Tel Aviv wurde wieder ein Raketenalarm ausgelöst.
  • Nach Angaben des Militärs wurden bislang über 1600 Raketen auf Israel abgefeuert.
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In der Nacht zu Donnerstag wurde erneut im Süden Israels, in der Wirtschaftsmetropole Tel Aviv und erstmals auch im Norden des Landes Raketenalarm ausgelöst. Fünf Menschen wurden nach Angaben von Rettungskräften verletzt, als ein Geschoss in einen Wohnkomplex in Petach Tikwa nahe Tel Aviv einschlug. Alle Flüge zum internationalen Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv sind vorübergehend umgeleitet worden.

Schon zuvor hatten militante Palästinenser am Mittwochabend Dutzende Raketen auf israelische Städte geschossen, darunter Aschdod und Aschkelon an der Mittelmeerküste. Auch im Grossraum Tel Aviv heulten Warnsirenen. In der Grenzstadt Sderot wurde ein Fünfjähriger beim Einschlag einer Rakete tödlich verletzt, wie die Stadtverwaltung mitteilte.

Das israelische Militär setzte in der Nacht zu Donnerstag seine Luftangriffe auf den Gazastreifen fort. Die Attacken richteten sich unter anderem gegen ein Gebäude, das mit der «Spionageabwehr» der Hamas in Verbindung steht, sowie gegen das Haus eines Hamas-Kommandanten.

Gazastreifen
Eine Rauchwolke nach einem Luftangriff auf den Gazastreifen. (Symbolbild) - AFP

Insgesamt schossen militante Palästinenserorganisationen wie die Hamas und der Islamische Dschihad seit Montag nach israelischen Angaben mehr als 1600 Raketen auf Israel ab. Rund 400 davon seien noch in dem Küstengebiet niedergegangen, sagte Sprecher Jonathan Conricus am Donnerstagmorgen. Die Erfolgsquote des Abfangsystems Eisenkuppel («Iron Dome») betrage weiterhin im Schnitt rund 90 Prozent.

Dem Sprecher zufolge starben seit Beginn des Beschusses aus dem Gazastreifen am Montagabend bislang sieben Menschen in Israel, sechs Zivilisten und ein Soldat.

Konflikt in Nahost
12.05.2021, Palästinensische Autonomiegebiete, Gaza: Während Luftangriffen in Gaza explodiert eine Rakete während der Nacht. - dpa

Nach palästinensischen Angaben wurden bei den Angriffen insgesamt 67 Menschen getötet, unter ihnen 17 Kinder. Zudem meldeten die Behörden knapp 400 Verletzte. Die Hamas bestätigte den Tod mehrerer ihrer militärischen Anführer, darunter auch der Chef ihres bewaffneten Arms in Gaza, Bassem Issa.

Israel beschliesst Angriffe auf Hamas auszuweiten

Am Dienstagabend hat Israels Sicherheitskabinett nach Medienberichten eine Ausweitung des Militäreinsatzes gegen Hamas beschlossen. Die Armee solle von sofort an gezielt «Symbole der Hamas-Herrschaft» in dem Palästinensergebiet angreifen. Das berichtete der Sender Kanal 12 am Mittwochabend.

Medienberichten zufolge wurden das Finanzministerium im Herzen der Stadt Gaza sowie eine Bank der Hamas zerstört. Das Militär teilte mit, Kampfflugzeuge hätten eine Reihe strategisch wichtiger Gebäude sowie ein Marinekommando der Hamas angegriffen. Die Angriffe auf Terrorziele würden fortgesetzt.

Konflikt in Nahost
Rauch steigt auf, nachdem es bei einem israelischen Luftangriff getroffen wurde, während der Al-Shorouk Tower zusammenbricht. Seit dem 10. Mai beschiessen militante Palästinenser Israel mit Raketen. Israels Armee reagiert darauf mit Angriffen auf Ziele im Gazastreifen, vor allem durch die Luftwaffe. Auf beiden Seiten gab es Tote. - dpa

Bei israelischen Luftangriffen auf den Gazastreifen waren schon alle Polizeigebäude in dem Küstengebiet zerstört worden. Dies nach Angaben des von der Hamas geführten Innenministeriums. Die Hamas wird von Israel und der EU als Terrororganisation eingestuft.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu lehnt den Berichten zufolge eine Waffenruhe zu diesem Zeitpunkt ab. Verteidigungsminister Benny Gantz stimmte die Bürger auf einen längeren Militäreinsatz ein. Die USA schicken einen Spitzendiplomaten in die Region, um sich mit führenden Vertretern beider Seiten zu treffen. Hady Amr will auch im Namen von US-Präsident Joe Biden auf eine Deeskalation der Gewalt drängen.

Besorgnis über Eskalation wächst

Biden hat Israel ein Recht auf Selbstverteidigung gegen Raketenangriffe der Palästinenser eingeräumt. Er habe das auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einem Telefonat zugesichert, teilte Biden am Mittwoch mit. Er erwarte und hoffe, dass sich Konflikt in Nahost eher früher als später wieder beruhige.

Netanjahu und Biden
Joe Biden (l.) und Benjamin Netanjahu bei einer Begegnung im März 2016. (Archivbild) - POOL/AFP/Archiv

Auch Unterhändler Ägyptens, Katars und der Vereinten Nationen bemühen sich nach Medienberichten um eine Beruhigung. International wuchs die Besorgnis über die Eskalation des Konflikts.

Die Vereinten Nationen warnten den UN-Sicherheitsrat laut Diplomaten vor einem grossen Krieg. Die USA haben eine gemeinsame Stellungnahme des mächtigsten UN-Gremiums zur eskalierenden Gewalt in Nahost Kreisen zufolge am Mittwoch zunächst blockiert.

Israel
Der Konflikt zwischen Palästina und Israel spitzt sich wieder zu (Symbolbild). - Keystone

Dafür forderten europäische Länder des UN-Sicherheitsrats ein Ende der Gewalt. «Wir fordern alle Akteure dringend auf, Spannungen abzubauen, Gewalt zu beenden und äusserste Zurückhaltung zu zeigen», sagte der estnische UN-Botschafter Sven Jürgenson in einer Stellungnahme Estlands, Frankreichs, Irlands und Norwegens am Mittwoch nach der Dringlichkeitssitzung des mächtigsten UN-Gremiums in New York.

Brutale Zwischenfälle zwischen Israelis und Arabern

Netanjahus Büro teilte mit, der Premierminister habe Biden in dem Gespräch für die amerikanische Unterstützung des israelischen Rechts auf Selbstverteidigung gedankt. Netanjahu habe auch angekündigt, «dass Israel weiterhin Massnahmen ergreifen werde, um die militärischen Fähigkeiten der Hamas und der anderen im Gazastreifen operierenden Terrororganisationen anzugreifen».

Auf Twitter schrieb er: «Wir werden keine Anarchie akzeptieren.» Es müsse die Sicherheit und Ruhe wiederhergestellt werden, «die wir alle verdienen».

Konflikt in Nahost
Demonstranten fliehen vor Tränengaskanistern, die von der israelischen Grenzpolizei nach einem Anti-Israel-Protest abgefeuert wurden. Nach massiven Raketenangriffen auf den Grossraum Tel Aviv hat Israels politische und militärische Führung harte Gegenangriffe angekündigt. - dpa

Die Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern schwappt derweil immer mehr auch auf arabische Ortschaften im israelischen Kernland über. Zwischen jüdischen und arabischen Israelis kam es am Mittwoch in den Städten Lod, Akko, Bat Jam, Haifa und Tiberias zu aussergewöhnlich schweren Konfrontationen.

Präsident Reuven Rivlin warnte im israelischen Fernsehen vor einem «Bürgerkrieg» und rief beide Seiten eindringlich zur Mässigung auf.

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