Die Massen-Evakuierung im Israel-Krieg weckt bei Palästinensern böse Erinnerungen. Das Psychologische sei schlimmer als das Logistische, sagt ein Experte.
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Eine Million Menschen hat den Norden des Gazastreifens bereits verlassen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Million Palästinenser ist vom Norden des Gazastreifens geflüchtet.
  • Dass sie einst dorthin zurückkehren können, ist nicht garantiert.
  • Viele befürchten eine zweite «Naqba» – eine zweite Katastrophe.
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Seit über einer Woche lässt der Israel-Krieg die Todeszahl von Zivilisten im Gazastreifen steigen. Nachdem die Hamas in Israel ein Blutbad mit 1400 Toten angerichtet hat, trifft es jetzt Palästinenser. Die Zahl der getöteten Menschen im Gazastreifen stieg am Montag auf 2750.

Am Freitag hatte Israel die Evakuierung von rund 1,1 Millionen Menschen aus dem Norden des Gazastreifens angeordnet. Man solle die Häuser verlassen und in den Süden verschieben. Grund ist die intensive Bombardierung, deren Ziele Stationen der Hamas sind.

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Die Terrororganisation wiederum reagierte und forderte die Gaza-Bewohner auf, in ihren Häusern zu bleiben. Der Grund: Die Hamas will die Zivilisten als Schutzschild benutzen.

Bis Montag haben bereits eine Million Menschen ihre Häuser im Norden des Gazastreifens verlassen. Was bedeutet das nun für sie?

Schwierige Flucht im Israel-Krieg

«Das ist zunächst eine riesige logistische Herausforderung. Der evakuierte Teil ist eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt», sagt Nahost-Experte Andreas Böhm auf Anfrage von Nau.ch. Nur wenige könnten mit dem Auto fliehen – «wenn sie überhaupt Benzin haben».

Durch die von Israel verhängte Blockade fehlt es den Menschen nicht nur an Nahrung und Strom, sondern auch an Treibstoff. Der einzige Highway sei zudem in miserablem Zustand und wahrscheinlich auch von der Bombardierung getroffen. «Es wurden bereits Menschen auf der Flucht durch israelische Bomben getötet.»

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Die Menschen im Norden des Gazastreifens wurden von Israel aufgefordert, in den Süden zu gehen.
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Die israelische Armee beschiesst das Küstengebiet seit über einer Woche mit grosser Intensität.
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Die Flucht weckt Erinnerungen an die «Naqba», die «Katastrophe» Ende der 1940er-Jahre, als rund 700'000 Palästinenser vertrieben wurden.
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Die erwartete israelische Bodenoffensive im Gazastreifen wird wohl trotz Evakuierung viele Tote zur Folge haben.
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Die Hamas feuert derweil immer noch Raketen in Richtung Israel ab.

Doch weitaus schlimmer sei die psychologische Seite der Evakuierung, sagt Nahost-Experte Böhm. Wohl rund 80 Prozent der Bevölkerung seien Flüchtlinge von Ende der 1940er-Jahre oder deren Nachfahren. Bei der sogenannten «Naqba» (Katastrophe) wurden damals rund 700'000 Palästinenser vertrieben.

«Sie gehen mit der Gewissheit, nicht mehr zurückkehren zu können. Zunächst wegen der verheerenden Zerstörung, dann aber auch, weil sie eine zweite ‹Naqba› fürchten.»

Dazu hätten sie auch «allen Grund», sagt Böhm. Denn rechtsradikale Kräfte in der israelischen Regierung würden eine ethnische Säuberung der Westbank und des Gazastreifens propagieren.

Viele zivile Opfer schaden Israel

Die Massen-Evakuierung im Israel-Krieg hat natürlich auch für die Hamas Konsequenzen – diese habe zwei Ziele: «Einerseits den israelischen Truppen in einem Häuserkampf empfindliche Verluste zufügen. Andererseits, dass hohe zivile Opferzahlen und schreckliche Bilder die internationale Wahrnehmung des Konflikts zuungunsten Israels verändern», so der Nahost-Experte.

Heisst: «Die zynische Logik ist, je mehr zivile Opfer, desto stärker schadet es Israel.»

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