Über eine Million Palästinenser drängen sich im äussersten Süden des Gazastreifens. Beim Sturm auf die Stadt droht eine humanitäre Katastrophe. Der Überblick.
Die israelischen Streitkräfte bereiten sich auf einen Vorstoss auf Rafah vor. Sie sollen dort die letzten Einheiten der islamistischen Hamas vernichten.
Die israelischen Streitkräfte bereiten sich auf einen Vorstoss auf Rafah vor. Sie sollen dort die letzten Einheiten der islamistischen Hamas vernichten. - Mohammed Talatene/dpa

Rund vier Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs will Israel offenbar auch den äussersten Süden des abgeriegelten Küstenstreifens unter Kontrolle bringen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gab am Freitag den Befehl aus, eine Militäroffensive auf die Stadt Rafah vorzubereiten. «Es ist unmöglich, das Kriegsziel der Eliminierung der Hamas zu erreichen, wenn vier Hamas-Bataillone in Rafah verbleiben», teilte sein Büro mit. Zuvor sollten allerdings die Zivilisten in der Stadt an der Grenze zu Ägypten in Sicherheit gebracht werden.

Eine Militäroffensive in Rafah gilt als hochproblematisch. In dem Ort, der vor dem Krieg rund 300 000 Einwohner hatte, sollen sich derzeit 1,3 Millionen Menschen aufhalten. Die meisten von ihnen flohen vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin, zum Teil auf Anordnung des israelischen Militärs.

Terroristen hatten am 7. Oktober im Auftrag der Hamas in Israel ein verheerendes Massaker vor allem an Zivilisten angerichtet. Seitdem führt Israel Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen. Die hohe Zahl ziviler Opfer im Gaza-Krieg und die desaströsen Lebensbedingungen der palästinensischen Zivilbevölkerung haben international scharfe Kritik am Vorgehen Israels ausgelöst.

UN warnen vor humanitärer Katastrophe

Angesichts der Angriffspläne hat UN-Generalsekretär António Guterres vor einer humanitären Katastrophe und Folgen für die gesamte Region gewarnt. Die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens sei in Rafah zusammengepfercht und könne nirgendwo anders hin, schrieb er auf der Nachrichtenplattform X, vormals Twitter. Guterres' Sprecher Stéphane Dujarric fügte hinzu, man wolle keine Massenvertreibungen sehen. Auch die US-Regierung und die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock hatten sich in den vergangenen Tagen deutlich gegen ein militärisches Vorgehen in Rafah ausgesprochen.

Abbas zu möglicher Rafah-Offensive: Vorspiel zu Vertreibung

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat von Israel erwogene Pläne einer Militäroffensive in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen scharf verurteilt. Abbas erklärte, diese würden ein «gefährliches Vorspiel» zu einer Politik der Vertreibung darstellen, die von den Palästinensern befürchtet wird. Abbas warf Israel und dem Verbündeten USA eine «destruktive Politik» vor. Er rief den UN-Sicherheitsrat dazu auf, tätig zu werden. «Diese (von Israel erwogenen) Schritte gefährden die Sicherheit und den Frieden in der Region, sie überschreiten alle roten Linien», fügte er hinzu.

Scholz: Israels Kriegführung muss Völkerrecht entsprechen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Israel aufgefordert, bei seiner Militäroperation im Gazastreifen das Völkerrecht im Blick zu behalten. Auf eine Frage nach der vom israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu angeordneten Vorbereitung einer Militäroperation in der Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten sagte er während eines Besuchs in Washington: «Die Art der Kriegführung muss den Ansprüchen, die Israel an sich selber hat, aber die das Völkerrecht auch mit sich bringt, entsprechen.»

Medien: Israel beschiesst Ziele nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus

Die israelischen Streitkräfte haben laut Medienberichten Ziele in der Nähe der syrischen Hauptstadt Damaskus angegriffen. Von den Golanhöhen aus habe das israelische Militär das Umland von Damaskus unter Beschuss genommen, berichtete die staatliche syrische Nachrichtenagentur (Sana) unter Berufung auf eine Militärquelle. Westlich der syrischen Hauptstadt seien heftige Explosionen zu hören gewesen. Die syrische Flugabwehr habe einige der Raketen abgeschossen. Es sei lediglich Sachschaden entstanden, berichtete Sana weiter. Die in Grossbritannien ansässige syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, ein Wohngebäude westlich der syrischen Hauptstadt sei getroffen worden.

Wieder Gefechte zwischen Israel und Hisbollah

Im israelisch-libanesischen Grenzgebiet haben sich die Schiitenmiliz Hisbollah und die israelischen Streitkräfte erneut Gefechte geliefert. Die Hisbollah schoss nach Angaben des israelischen Militärs mehrere Raketen auf den Norden Israels ab. Menschen seien dabei nicht verletzt worden. Als Antwort auf den Angriff bombardierten israelische Kampfjets eine Militäranlage im südlibanesischen Marun al-Ras, in der Hisbollah-Milizionäre aktiv gewesen sein sollen, wie das israelische Militär mitteilte. Kampfflugzeuge attackierten ausserdem Militärbasen in Johmor und Nakura. Auch mit der Artillerie griff Israel demnach Ziele jenseits der Grenze im Südlibanon an.

Miliz ruft zu Einheitsfront im Kampf gegen US-Truppen im Irak auf

Nach der Tötung eines Kommandeurs einer proiranischen Miliz bei einem US-Drohnenangriff hat eine Rebellengruppe im Irak zur Bildung einer Einheitsfront im Kampf gegen die US-Truppen aufgerufen. Der Islamische Widerstand im Irak forderte in seiner Erklärung andere Gruppen dazu auf, sich an der Vertreibung der US-Streitkräfte zu beteiligen. Am Mittwoch war bei einem US-Drohnenangriff der Kommandeur der proiranischen Miliz Kataib Hisbollah, Abu Bakir al-Saadi, in Bagdad getötet worden. Damit hatten die Vereinigten Staaten auf einen Angriff in Jordanien nahe der syrischen Grenze reagiert, bei der Ende Januar drei US-Soldaten ums Leben kamen.

Was am Samstag wichtig wird

Die israelischen Streitkräfte bereiten sich auf einen Vorstoss auf Rafah vor. Sie sollen dort die letzten Einheiten der islamistischen Hamas vernichten. Angesichts der grossen Zahl an Flüchtlingen in der Stadt im äussersten Süden des Gazastreifens warnen Beobachter vor einer humanitären Katastrophe.

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