Die venezolanischen Streitkräfte stehen vor einem Dilemma: Stoppen sie die Hilfslieferungen, verspielen sie ihren Rückhalt in der Bevölkerung. Lassen sie die Güter aber passieren, verweigern sie damit einen Befehl von Präsident Maduro.
Die kolumbianische Feuerwehr organisiert Hilfsgüter. Zehn Lastwagen mit rund 100 Tonnen Lebensmitteln, Medizin sowie Hygieneartikel lagern nahe der Grenzbrücke Tienditas. Venezuelas Staatschef Maduro will keine Hilfsgüter ins Land lassen. Foto: Benjamin Rojas
Die kolumbianische Feuerwehr organisiert Hilfsgüter. Zehn Lastwagen mit rund 100 Tonnen Lebensmitteln, Medizin sowie Hygieneartikel lagern nahe der Grenzbrücke Tienditas. Venezuelas Staatschef Maduro will keine Hilfsgüter ins Land lassen. Foto: Benjamin Rojas - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Venezuelas Präsident Nicolás Maduro will keine Hilfsgüter für die notleidende Bevölkerung ins Land lassen.

«Venezuela wird diese Show der falschen humanitären Hilfe nicht zulassen, denn wir sind keine Bettler», sagte der Staatschef am Freitag.

«Das ist keine Hilfe, das ist eine Demütigung des Volkes. Von aussen sieht das Paket sehr schön aus, aber im Inneren ist Gift.» Zuvor waren die ersten Lieferungen in die kolumbianische Grenzstadt Cúcuta gebracht worden. Zehn Lastwagen mit rund 100 Tonnen Lebensmitteln, Medizin sowie Hygieneartikel trafen in einem Lager nahe der Tienditas-Brücke ein, wie der kolumbianische Katastrophenschutz (UNGRD) mitteilte. Die Brücke wurde allerdings schon vor Tagen von der venezolanischen Regierung blockiert.

Venezuelas selbst ernannter Interimspräsident Juan Guaidó will die über die US-Entwicklungsbehörde USAID zur Verfügung gestellte Hilfe nach Venezuela schaffen lassen. Weitere Lieferungen sollen im ebenfalls benachbarten Brasilien sowie auf einer Karibikinsel - laut Medienberichten ist es Puerto Rico - zum Transport in das südamerikanische Krisenland bereitgestellt werden. «Ich rufe die Soldaten der Streitkräfte dazu auf, kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen und die humanitäre Hilfe durchzulassen», sagte Guaidó.

Maduro macht für die wirtschaftlichen Probleme seines Landes die US-Sanktionen gegen seine Regierung verantwortlich. «Gebt das blockierte Geld frei. Es ist ein makabres Spiel: Wir schnüren ihnen die Kehle zu und zwingen sie, um Krümel zu betteln», sagte er am Freitag.

Tatsächlich fehlt es in dem Erdölstaat am Nötigsten. Wegen Devisenmangels kann das einst reiche Land kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. Viele Menschen hungern, und rund drei Millionen Venezolaner sind vor dem Elend in ihrer Heimat bereits ins Ausland geflohen.

«Wenn Maduro die Hilfslieferungen nicht durchlässt, werden wir Venezolaner sie mit Gewalt rüberschaffen», sagte die Venezolanerin Elsy Olarte in der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta dem Fernsehsender Caracol. «Wir tun uns alle zusammen und sorgen dafür, dass diese Medikamente, Kleider und Lebensmittel nach Venezuela kommen.»

Maduro hält die Hilfslieferungen allerdings für einen Vorwand für eine US-Militärintervention. So steht es auch in einem Brief «an das amerikanische Volk», den Maduro an das Weisse Haus schicken will. «In diesen Tagen entscheidet sich die Zukunft unserer Länder zwischen Krieg und Frieden», heisst es in dem Schreiben, für das er nach eigenen Angaben Millionen Unterschriften seiner Landsleute gesammelt hat.

Bereits vor Tagen hatten die venezolanischen Behörden die Tienditas- Autobahnbrücke mit dem Auflieger eines Tanklastzugs und zwei Containern gesperrt. «Maduro soll aufhören, so egoistisch zu sein. Er hat zu essen, er hat Geld. Und jene, die am Boden liegen, interessieren ihn nicht», sagte die Venezolanerin Eduviges García im Fernsehsender Caracol.

Um die Hilfsgüter nach Venezuela zu schaffen, braucht die Gegenregierung um Guaidó die Unterstützung der Streitkräfte, die die Grenze kontrollieren. Allerdings stehen die mächtigen Militärs bislang noch an der Seite Maduros. Viele Generäle besetzen wichtige Posten in der Wirtschaft, einige sollen auch in kriminelle Geschäfte verwickelt sein. Das bindet sie an Maduro.

«Maduro kauft ihre Loyalität», sagte der Kommandeur des Süd-Kommandos der US-Streitkräfte, Craig Faller, zuletzt bei einer Anhörung vor einem Ausschuss des Senats. «Die Mannschaftsdienstgrade hungern, genauso wie das Volk.» Allerdings werden die unteren Ränge streng kontrolliert, offenbar auch mit Hilfe des kubanischen Geheimdienstes. Rund 180 Militärs sitzen wegen politischer Vergehen in Haft.

Angesichts der Not der Bevölkerung und des internationalen Drucks stehen die Soldaten nun vor einem Dilemma. Stoppen sie die Hilfslieferungen, verspielen sie ihren Rückhalt unter den Venezolanern. Lassen sie die Güter aber passieren, verweigern sie damit einen direkten Befehl von Präsident Maduro.

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