Erste Parlamentswahl in Syrien nach Assad-Sturz begonnen

Lena Goldmann
Lena Goldmann

Syrien,

Am heutigen Sonntag findet die erste Parlamentswahl in Syrien seit dem Sturz von Assad statt. Kritiker sagen, sie sei «bestenfalls symbolisch».

parlamentswahl syrien
Ein Mann gibt seine Stimme bei der Parlamentswahl in Syrien ab. - keystone

Am heutigen Sonntag wird in Syrien erstmals seit dem Sturz des Assad-Regimes ein neues Parlament gewählt. Die Abstimmung findet zehn Monate nach dem Ende der jahrzehntelangen Diktatur statt, berichtet «Al Jazeera».

Die Wahl markiert einen wichtigen Schritt im politischen Übergangsprozess des bürgerkriegsgebeutelten Landes. Doch die Kritik ist gleichzeitig laut.

Präsident beeinflusst Parlamentswahl stark

Das neue Parlament soll insgesamt 210 Sitze umfassen, wie die staatliche Nachrichtenagentur SANA mitteilt. Zwei Drittel der Abgeordneten werden durch regionale Wahlkollegien bestimmt.

Die restlichen 70 Sitze werden direkt von Übergangspräsident Ahmad al-Scharaa ernannt.

Bevölkerung wählt nicht direkt

Es handelt sich nicht um eine Parlamentswahl im eigentlichen Sinne, erklärt der «SRF»-Nahostkorrespondent Thomas Gutersohn. Vielmehr geht es darum, einen sogenannten Legislativrat zu besetzen, da Syrien derzeit keine Legislative hat.

Die Übergangsregierung hat Wahlgremien in den Provinzen erstellt, die Wahlmänner und Wahlfrauen ernennen.

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Die Wahlurne wird vor dem Beginn der Parlamentswahl in Syrien symbolisch mit Wachs verschlossen. - keystone

Diese wiederum wählen dann aus den Kandidaten die Abgeordneten aus. Es handelt sich also um eine indirekte Wahl, nicht um eine eigentliche Volkswahl.

Das Wahlsystem wird deshalb von zahlreichen Experten kritisiert.

Drei Provinzen von Parlamentswahl ausgeschlossen

In den Provinzen Rakka, Hasaka und Suweida finden vorerst keine Wahlen statt. Als Grund nennt die Wahlbehörde Sicherheitsbedenken, berichtet «Al Jazeera».

Die beiden kurdisch kontrollierten Provinzen stehen nicht unter Kontrolle der Zentralregierung.

Glaubst du, dass die Parlamentswahl in Syrien einen wichtigen Schritt für das Land setzen können?

In Suweida kam es im Juli zu tödlichen Kämpfen zwischen drusischen Milizen und sunnitischen Beduinenstämmen. Über 1'000 Menschen starben bei den Auseinandersetzungen, die meisten von ihnen Drusen.

Die für diese drei Provinzen vorgesehenen 20 Sitze bleiben vorerst vakant.

Parlamentswahl sei «bestenfalls symbolisch»

Vierzehn syrische Zivilgesellschaftsorganisationen äusserten im August ernste Bedenken gegen das Wahlsystem.

Die direkte und indirekte Einflussnahme des Präsidenten mache die Wahlen «bestenfalls symbolisch», zitiert die britische Nachrichtenagentur Reuters.

Das Parlament spiegle nicht den Willen der Wähler wider.

Ahmed al-Scharaa
Syriens Präsident Ahmed al-Scharaa hat bei der Parlamentswahl viel Macht. - keystone

Die Exekutive dominiere eine Institution, die unabhängig und repräsentativ sein sollte. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung weist auf diese Kritikpunkte hin.

Es bestehe die Befürchtung, dass die Wahl bestehende Machtstrukturen verfestigt statt demokratische Strukturen zu stärken.

Direkte Volkswahlen sind laut Präsident «unmöglich»

Al-Scharaa verteidigt das gewählte Verfahren mit den schwierigen Rahmenbedingungen der Übergangszeit. Der Verlust von Dokumenten und die Tatsache, dass sich Millionen Syrer im Ausland befinden, mache direkte Volkswahlen unmöglich.

Dies sagte er in einem Fernsehinterview, über das «Reuters» berichtet.

Die neue Volksversammlung soll für drei Jahre im Amt bleiben – danach sollen auf Grundlage einer neuen Verfassung erneute Wahlen stattfinden. Bis spätestens 2030 sind die ersten gesamtstaatlichen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen geplant, so die «Bundeszentrale für politische Bildung».

Mehr als 1'500 Kandidaten bei Parlamentswahl zugelassen

Zur Wahl stehen über 1'500 Kandidaten, die gleichzeitig Mitglieder der Wahlkollegien sein müssen. Unterstützer des früheren Regimes oder terroristischer Organisationen wurden von der Kandidatur ausgeschlossen.

Auch Befürworter von Sezession oder ausländischer Intervention dürfen nicht antreten, berichtet «Reuters».

menschen auf strasse damaskus
Experten sind skeptisch, ob die Parlamentswahl Syrien mehr Demokratie bringen kann. - keystone

Mindestens 20 Prozent der Mitglieder der Wahlkollegien mussten Frauen sein. Für weibliche Abgeordnete oder Vertreter ethnischer und religiöser Minderheiten gibt es jedoch keine Mindestquoten.

Die Wahllokale öffneten heute um 9 Uhr Ortszeit und schliessen um 16 Uhr.

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Kommentare

User #8398 (nicht angemeldet)

ich wünsche der neuen regierung viel erfolg und glückliches gelingen.

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