Die Armenviertel in Brasilien trifft die Coronakrise hart. Da sie sich nicht auf die Regierung verlassen können, helfen sie sich nun selber.
Corona-Hotspot Brasilien
Laryssa da Silva reicht einem Mann zwei Essenspakete in die Wohnung. Sie ist eine von 700 "Strassenpräsidenten" in Paraisopolis. Diese Bewohner der Favela in Sao Paulo achten in ihrer Nachbarschaft darauf, dass während der Corona-Pandemie mehr als 50 Familien zu Hause bleiben oder Mundschutz tragen. Sie verteilt Pakete mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln, leistet Hilfe und informiert über das Virus. Brasilien hat die Marke von einer Million Infizierten durchbrochen. Die Armenviertel von Rio de Janeiro und São Paulo leiden besonders. Foto: Caio Capicoré/G10 Favelas/Presidentes de Rua/dpa - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Bewohner der Favelas in Brasilien leiden wegen der Coronakrise Not.
  • Auf die Regierung von Jair Bolsonaro ist leider kein Verlass.
  • Deswegen helfen sich die Armenviertel nun selber und verteilen Lebensmittel.

Seit Laryssa da Silva ihren Job im Restaurant los war, wusste die Brasilianerin nicht: Woher sollte sie den nächsten Teller Essen für sich und ihre beiden Kinder nehmen. «Ich war ziemlich verloren.» Bis sie in ihrem Armenviertel in São Paulo «Strassenpräsidentin» wurde:

Eine von fast 700 Bewohnern, die darauf achten, dass während der Corona-Pandemie alle zu Hause bleiben oder Mundschutz tragen. Nun verteilt sie Pakete mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln, leistet Hilfe und informiert über das Virus. Dafür bekommt sie selbst als eine der ersten ein Lebensmittelpaket.

Favelas organisieren sich selbst

Während die Regierung von Jair Bolsonaro die Corona-Krise am liebsten aussitzen würde, organisieren sich die Bewohner der Armenviertel selbst. Die Favela Paraísópolis in São Paulo, wo etwa 100'000 Menschen leben, hat nun sogar Ärzte und Krankenwagen unter Vertrag. Die reguläre Ambulanz kommt nicht mehr.

«Wir haben erkannt, dass die Sache gross wird und die öffentliche Politik die Favelas nicht erreicht». Dies sagte Gilson Rodrigues, eine der Verantwortlichen. «Also machen wir unsere eigene Politik».

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Menschen gehen mit Mundschutz durch eine Strasse der Favela «Rocinha». - dpa

Auch Bewohner anderer ärmlicher Siedlungen haben Informationskampagnen gestartet, Lebensmittel und Hygieneartikel verteilt sowie Datenbanken erstellt. «Alles bereitet uns Sorgen», sagt Neila Marinho vom «Krisenkabinett» der Favela Complexo do Alemão in Rio de Janeiro. «Angefangen damit, dass die Leute wissen, was passiert. Bis dahin, dass wir ihnen Essen und Seife bringen.»

Über eine Million Corona-Infizierte in Brasilien

Während in Europa wieder Normalität zurückkehrt, hat Brasilien gerade die Marke von einer Million Corona-Infizierten durchbrochen. Fast 50'000 Menschen sind tot. In beiden Statistiken liegt Brasilien auf Platz zwei der am meisten betroffenen Länder der Welt.

Nur in den USA ist es noch schlimmer. Die tatsächliche Zahl dürfte in Brasilien jedoch weit höher sein - auch, weil das Land sehr wenig testet.

Die Armensiedlungen von Rio und São Paulo, wo viele Schwarze leben, leiden besonders. Den Bewohnern fehlt es oft am Nötigsten. «Wer hier wohnt, hat kein Wasser, um sich die Hände zu waschen». So sagt Gabriela Anastácia von der Sozialhilfe-Organisation «Observatório das Favelas».

«Er kann sich nicht von anderen fernhalten, weil er mit fünf, sechs, neun Personen zusammenwohnt.» Die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben ist in Rio für Favela-Bewohner fünfmal höher als für Leute aus wohlhabenden Gegenden.

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