China erkennt britische Überseepässe nicht mehr an
Von Sonntag an will London potenziell Millionen Bürgern Hongkongs ein Aufenthaltsrecht in Grossbritannien gewähren. Peking sieht darin einen Eingriff in seine Souveränität - und reagiert mit kaum verhüllten Drohungen.

Das Wichtigste in Kürze
- Im Streit mit Grossbritannien um das umstrittene Hongkonger Sicherheitsgesetz will China Reisepässe, die dem Inhaber den Status eines britischen Bürgers in Übersee garantieren, nicht länger anerkennen.
China werde den sogenannten BNO-Pass (British National Overseas) ab dem 31. Januar nicht mehr als Reisedokument und Identitätsnachweis anerkennen und behalte sich das Recht vor, weitere Massnahmen zu ergreifen, teilte ein Sprecher des Pekinger Aussenministeriums mit. Derzeit besitzen rund 350.000 Hongkonger BNO-Reisepässe, die ihnen einen einfachen Aufenthalt in Grossbritannien ermöglichen. Die Reaktion aus London liess nicht lange auf sich warten: Man sei «enttäuscht, aber nicht überrascht» von der Entscheidung Chinas, kommentierte die britische Regierung.
Als Reaktion auf das Hongkonger Sicherheitsgesetz hatte London bereits vor Monaten neue Regeln angekündigt, wonach BNO-Passinhaber eine Aufenthaltsgenehmigung über fünf Jahre für Grossbritannien erhalten können. Das würde wiederum eine Einbürgerung ermöglichen. Die neue Regelung soll von Sonntag an gelten. Theoretisch haben bis zu 5,4 Millionen Hongkonger Anspruch auf einen BNO-Pass.
Am Freitag hatte die Regierung in London mitgeteilt, sie rechne in den kommenden fünf Jahren mit bis zu 322.000 Antragstellern für das Aufenthaltsrecht. Der britische Premierminister Boris Johnson sagte, er sei «äusserst stolz», den Inhabern der BNO-Pässe diesen neuen Weg zu einem Leben in Grossbritannien eröffnet zu haben.
«Wir tragen damit den profunden historischen Verbindungen und der Freundschaft mit den Menschen in Hongkong Rechnung und wir treten für Freiheit und Autonomie ein - Werte, die wir sowohl in Grossbritannien als auch in Hongkong hochhalten.»
Der Pekinger Aussenamtssprecher kritisierte den Schritt hingegen scharf: «Der Versuch der britischen Seite, eine grosse Anzahl von Menschen in Hongkong zu britischen Bürgern zweiter Klasse zu machen, hat das ursprüngliche Verständnis der beiden Seiten von BNO völlig verändert», so Zhao Lijian. Der Schritt Londons verstosse ernsthaft gegen Chinas Souveränität und greife grob in Chinas und Hongkongs innere Angelegenheiten ein. Die Ankündigung Pekings erfolgte am Freitag nur Stunden, nachdem London bekanntgegeben hatte, Anträge unter den neuen Regeln ab Sonntag annehmen zu wollen.
Das neue Sicherheitsgesetz war in Hongkong und international auf scharfe Kritik gestossen. Es gibt Chinas Staatssicherheitsorganen weitreichende Vollmachten in der eigentlich autonomen chinesischen Sonderverwaltungsregion.
Obwohl den mehr als sieben Millionen Hongkongern beim Souveränitätswechsel 1997 Freiheitsrechte und Autonomie garantiert worden waren, können chinesische Staatssicherheitsorgane in Hongkong künftig eigenmächtig Ermittlungen ausführen und Rechtshoheit ausüben.