640 Personen pressten sich am Montag in Kabul in ein US-Cargo-Flugzeug. Nau.ch hat mit Aviatik-Experte Hansjörg Egger über die heikle Szene gesprochen.
Boeing C-17 Globemaster
Links: Eine Boeing C-17 Globemaster der U.S. Air Force. Rechts: Die vollgestopfte C-17 in Kabul. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Kabul überschlugen sich am Montag die Ereignisse.
  • 640 Menschen pressten sich in ein US-Cargo-Flugzeug, das Platz für 150 Personen bietet.
  • Nau.ch hat mit Aviatik-Experte Hansjörg Egger über die heiklen Szenen gesprochen.

Am Montag überschlugen sich in Kabul die Ereignisse, einen Tag nach der Übernahme der Hauptstadt Afghanistans durch die Taliban. Hunderte Personen – vor allem Männer – stürmten das Rollfeld des Flugplatzes in Kabul. Ihr Ziel: möglichst schnell weg von hier.

Einige der Männer klammerten sich an die Fahrgestelle der startenden Flugzeuge – und bezahlten dieses waghalsige Manöver mit dem Leben. Über den Tag hinweg wurde ein allgemeines Start- und Landeverbot ausgesprochen. Die erste Maschine, die von Kabul wieder abheben durfte, war am späten Montagabend ein US-Cargo-Flugzeug.

Über viermal so viel Personen an Bord wie erlaubt

Die Boeing C-17 Globemaster hat normalerweise Platz für 150 Personen an Bord. Die Situation in Afghanistan ist aber alles andere als normal. Die Crew liess kurzerhand 640 Menschen die Rampe in den Frachtraum des Flugzeugs passieren. Keine einfache Aufgabe für die Männer im Cockpit – könnte man meinen.

Nau.ch hat bei Aviatik-Experte Hansjörg Egger nachgefragt, wie gefährlich dieser Flug war: «Aus fliegerischer Sicht ist das Fliegen mit einer so mit Menschen vollgestopften Boeing C-17 Globemaster überhaupt kein Problem.» Das riesige Cargo-Flugzeug kann mit 80 Tonnen beladen werden. «Die Passagiere wiegen, wenn es hochkommt, vielleicht 50 Tonnen», so Egger.

Cargo
So sieht es in einer Boeing C-17 Globemaster im Normalfall aus. - Keystone

«Die Piloten können also das Flugzeug auf diese Weise absolut sicher operieren, so würde ich selbstverständlich auch starten. Erst recht, wenn es um Leben und Tod für die Passagiere geht. Da darf beziehungsweise muss man ein erhöhtes Risiko eingehen.» Egger ist selbst ein Ex-Angehöriger der Schweizer Luftwaffe.

Überfüllter Laderaum hat seinen Vorteil

Dass der Laderaum proppenvoll ist, hat sogar seinen Vorteil, denn damit ist die Last schön verteilt, wie Egger erklärt: «Wäre das Flugzeug nur halbvoll, bestünde die Gefahr, dass alle Passagiere plötzlich in eine Richtung kippen. Dies könnte zur Instabilität führen und für die Piloten zu einem ernsthaften Problem werden. Es sind schon viele Flugzeuge abgestürzt, weil sich die Fracht im Laderaum verschoben hat.»

Ein Restrisiko bestand aber trotzdem, und zwar im Innenraum, wie Egger ausführt: «Ein gewisses Risiko besteht, dass an Bord eine Massenpanik ausbrechen könnte. Da könnte es Verletzte und Tote geben, was aber mit dem Flug an und für sich nichts zu tun hat.»

Hätten Sie auch wie die Piloten gehandelt?

Boeing C-17 Globmaster
Eine Boeing C-17 Globmaster der United States Air Force startet auf der Piste 16 des Flughafens Zürich in Zürich. (Archivbild) - Keystone

Aber in Friedenszeiten kann das kaum legitim sein? Egger: «Im normalen Alltagsbetrieb ist das Fliegen mit so vielen Passagieren an Bord natürlich keinesfalls erlaubt. Aber hier gilt Notrecht und es geht ums Überleben dieser Menschen.»

Was Egger mehr Sorgen bereitet, sind die Menschen auf den Pisten und Rollfeldern: «Das ist nicht nur für die Menschen am Boden äusserst gefährlich. Das könnte auch bei den Starts und Landungen der Rettungsflugzeuge zu Problemen führen. Man stelle sich vor, wenn Personen ins Triebwerk eingesogen würden. Da sind die Bodentruppen gefordert, ultimativ für Ordnung zu sorgen.»

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