Tschads Staatschef Idriss Déby Itno ist überraschend gestorben. Sein Sohn übernimmt innerhalb von Stunden die Führung des Landes. Die Botschaft: Kontinuität für den Staat und die vom Terrorismus gebeutelte Sahelzone.
Idriss Déby Itno
Präsident Idriss Deby Itno, hier bei einer Pressekonferenz 2008, ist tot. (Archivbild) - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nach dem überraschenden Tod von Staatschef Idriss Déby Itno (68) hat die Militärelite des zentralafrikanischen Tschads blitzschnell reagiert.

Unmittelbar nach der Verkündung des Todes wurde Débys Sohn, Mahamat Idriss Déby Itno, zum Nachfolger ernannt. Der General soll für die nächsten 18 Monate eine militärische Übergangsregierung führen.

Damit sichert sich das Militärregime, das während Débys 30-jähriger Amtszeit eine zentrale Rolle spielte, seine Position an der Macht. Auch für die Rolle Tschads in der G5-Sahel-Militärallianz, die den islamistischen Terrorismus in der Region bekämpft, signalisiert die Entscheidung Beständigkeit. Mahamat Idriss Déby Itno hat in den vergangenen sieben Jahren die Eliteeinheit der tschadischen Armee geführt und arbeitete mit seinem Vater Hand in Hand.

«Solange sich Débys Sohn an der Macht hält, kann man davon ausgehen, dass es Kontinuität geben wird, innerhalb des Landes und auch was die Beziehungen mit Frankreich und Europa betrifft» sagt Alexandre Raymakers, Afrikaexperte der Sicherheitsberatungsfirma Verisk Maplecroft.

Der Tschad ist ein für Europa strategischer Staat. Aufgrund seiner Hilfe im Kampf gegen Islamisten in der Sahel genoss Déby in Frankreich, bei Staatschefs der Sahelzone, aber auch den USA und der Europäischen Union hohes Ansehen. Déby, der in Frankreich als Pilot und in militärischer Taktik ausgebildet wurde, war auch ein wichtiger französischer Verbündeter bei der Eindämmung der Expansion des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi. Über Débys miserable Menschenrechtsbilanz wurde weitgehend hinweggesehen.

Débys gut trainierte Armee gilt als regionales Bollwerk gegen den Terrorismus. Im riesigen Sahelgebiet, das sich südlich der Sahara vom Atlantischen Ozean bis zum Roten Meer erstreckt, sind zahlreiche Terrorgruppen aktiv; einige haben dem Islamischen Staat (IS) oder dem Terrornetzwerk Al Kaida die Treue geschworen. Auch im benachbarten Nigeria half Déby bei der Bekämpfung der Terrormiliz Boko Haram.

Die frühere Kolonialmacht Frankreich hat in der Region rund 5100 Soldaten seines Anti-Terror-Einsatzes «Barkhane» im Einsatz. Zu den G5-Staaten der Region gehören ausser Tschad auch Mali, Niger, Mauretanien und Burkina Faso.

Im benachbarten Mali ist zudem eine UN-Friedensmission im Einsatz, an der sich auch die Bundeswehr beteiligt. Nirgendwo sonst ausser in Afghanistan sind so viele deutsche Soldaten stationiert. Rund 100 bilden im Rahmen einer EU-Mission malische Soldaten aus, 955 beteiligen sich an der UN-Blauhelmtruppe.

Die Bekämpfung von Terrorgruppen in der Sahelregion ist sehr schwer: Die Regierungen haben in den wüstenhaften Weiten ausserhalb der Städte wenig Kontrolle. Die Terrorgruppen finden in diesen Ländern wegen der grossen Armut, des schnellen Bevölkerungswachstums und des niedrigen Zugangs zu Bildung und Gesundheit fruchtbaren Boden für Rekrutierung.

Déby war der ideale Mann für den Kampf gegen den Terror. Der Vier-Sterne-General kam 1990 bei einem Putsch gegen den Diktator Hissène Habré an die Macht und regierte seitdem mit harter Hand. In der Bevölkerung genoss er wenig Ansehen. Misswirtschaft, Korruption, Vetternwirtschaft und sinkende Ölpreise haben die Armut während seiner Amtszeit massiv verschärft. So ist der Tschad nach Angaben des Welternährungsprogramms das drittärmste Land der Welt. Der Reichtum der Ölfelder ist bei der Bevölkerung nie angelangt. Proteste gegen die Débys Regime wurden systematisch unterdrückt.

Trotzdem gewann Déby jede Abstimmung mit grossen Siegen. Am Montag, einen Tag vor seinem Tod, hatte die Wahlkommission seinen erneuten Sieg mit 79,32 Prozent der abgegebenen Stimmen bei der Präsidentenwahl am 11. April verkündet. Dieser sollte Débys sechste Amtszeit einläuten. Doch dann kam alles anders.

Schwerbewaffnete Kämpfer der Rebellenbewegung «Front für Wandel und Eintracht im Tschad» (FACT) drangen am Wahltag aus dem benachbarten Libyen in den Norden des Tschads ein und in Richtung der Hauptstadt N’Djamena vor, um die Regierung zu destabilisieren. Der Staatschef starb bei einem Besuch an der Front.

Über die nächsten Tage und Wochen werde sich herausstellen, ob die Armee sich vollständig hinter Débys Sohn stellen werde, oder ob es innerhalb des Militärs eine Opposition gebe, die versuchen könnte, ihn zu entmachten, so Raymakers. Immerhin habe der Sohn die Verfassung willkürlich missachtet, wonach der Präsident der Nationalversammlung die Führung nach dem Tod des Präsidenten hätte übernehmen sollen. «Die Situation ist extrem volatil und unberechenbar», sagte Raymakers.

Das meint auch Gerrit Kurz von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin, der mit Blick auf die militärische Übergangsregierung meint: «Neben ihrer fraglichen Verfassungsmässigkeit deutet die prominente Rolle des Militärs allerdings auch eine Fortsetzung von Unterdrückung der Bevölkerung an. Jetzt komme es auf einen friedlichen Übergangsprozess an. Kurz: «Tschads internationale Partner sollten auf die Militärregierung einwirken, die Macht möglichst bald an Zivilisten zu übergeben und Neuwahlen auszurichten.» Auch die Afrikanische Union sollte vermittelnd eingreifen.

Rebellen und Regierung gleichermassen müssten nun eine Aussöhnung anstreben, meint Thibaud Lesueur, der Tschad-Experte der Beratungsfirma Internationale Crisis Group. «Sonst sehen sie sich der Aussicht auf eine weitreichende Gewalt gegenüber in einem Land, das lange als relativ stabil in der instabilden Sahelzone galt.» Nach Angaben von Dr. Helga Dickow vom Arnold-Bergstraesser-Institut (ABI) in Freiburg ist eine Gefahr des Bürgerkrieges nicht auszuschliessen. Die FACT und andere oppositionelle Gruppen stellten weiter eine Bedrohung dar: «Es ist nicht davon auszugehen, dass die verschiedenen Gruppierungen die Inthronisierung von Débys Sohn so hinnehmen.»

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