Nach den verheerenden Tornados in den USA mit vermutlich Dutzenden Toten suchen Rettungsmannschaften weiter nach Überlebenden.
Tornado Jonesboro USA
Trümmer bedecken einen Parkplatz, während die Sonne nach einem Tornado in Jonesboro untergeht. Foto: Quentin Winstine - DPA
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die USA wurden am Samstag von verheerenden Tornados heimgesucht.
  • Mindestens 70 Menschen kamen dabei ums Leben.
  • In sechs Bundesstaaten gab es mehr als 30 Tornados.

Nach den verheerenden Tornados in den USA mit vermutlich Dutzenden Toten suchen Rettungsmannschaften weiter nach Überlebenden. Besonders schwer betroffen ist der Bundesstaat Kentucky, dessen Gouverneur Andy Beshear am Samstag mit Blick auf die Zerstörung sagte: «Wir sind Ground Zero.»

Er sei sich sicher, dass die Zahl der Toten alleine in seinem Bundesstaat im Südosten der Vereinigten Staaten 70 übersteigen werden. «Sie könnte sogar über 100 liegen.» Die Nacht zu Samstag sei «eine der härtesten» in der Geschichte Kentuckys gewesen. «Ich glaube, dass dies der tödlichste Tornado sein wird, der jemals durch Kentucky gezogen ist.»

Über 30 Tornados

Die «New York Times» sah es mittlerweile als gesichert an, dass allein in Kentucky mindestens 70 Menschen ums Leben kamen. CNN meldete am frühen Sonntagmorgen, es werde befürchtet, dass mehr als 80 Menschen in den US-Staaten Kentucky, Mississippi, Missouri, Arkansas, Illinois und Tennessee gestorben seien. Es dürften jedoch Tage vergehen, bis das volle Ausmass der Katastrophe bekannt wird. Der Sender berichtete von mehr als 30 Tornados in den sechs Bundesstaaten.

Allein in Kentucky hinterliessen die Tornados über 200 Meilen (320 Kilometer) hinweg eine Schneise der Verwüstung. «Alles in ihrem Pfad ist weg. Häuser, Geschäfte, Regierungsgebäude - einfach weg. Teile von Industrieanlagen, Dächer sind in Bäumen. Es ist schwer vorstellbar, dass das überhaupt möglich ist», sagte Beshear. «Die Verwüstung ist mit nichts zu vergleichen, was ich in meinem Leben gesehen habe, und ich habe Mühe, es in Worte zu fassen.»

Die Tornados verwandelten unter anderem eine Kerzenfabrik in Mayfield in ein Trümmerfeld - dort wurde wegen des Hochbetriebs zur Weihnachtszeit in der Nacht zu Samstag gearbeitet. Nur 40 der rund 110 Menschen in der Fabrik seien gerettet worden, sagte der Gouverneur. Wo einst die Fabrik gestanden habe, liege jetzt ein mehr als vier Meter hohes Trümmerfeld mit Metallschrott und Autowracks. «Es wäre ein Wunder, würde dort jemand lebendig gefunden.»

Auf Fotos vom Samstag war zu sehen, wie Menschen bei der Bergung von Gegenständen aus einem zerstörten Haus in Mayfield halfen. Auf anderen waren Strassenzüge der Kleinstadt zu erkennen - die Häuser wirkten wie wegrasiert.

Waldbrände, Überflutungen, Tornados

Beshear schwor die Menschen im Katastrophengebiet angesichts von Tiefsttemperaturen um den Gefrierpunkt und grossflächigen Stromausfällen auf schwierige Stunden ein. «Es wird eine harte Nacht für viele Menschen in Kentucky werden», sagte er. Dem Gouverneur drohte zwischenzeitlich die Stimme zu versagen. Etwa, als er von dem Heimatort seines Vaters namens Dawson Springs erzählte. «Einen Block von dem Haus meiner Grosseltern steht kein Haus mehr», sagte Beshear. «Und wir wissen nicht, wo all diese Menschen sind.»

In Illinois stürzte das Dach eines Verteilzentrums des Online-Händlers Amazon teilweise ein. Dort starben sechs Menschen, 45 Personen wurden nach Angaben der Feuerwehr aus den Trümmern gerettet. Amazon-Gründer Jeff Bezos äusserte sich bestürzt über die «tragischen Berichte» aus Edwardsville. «Wir sind untröstlich über den Verlust unserer Teammitglieder», twitterte er in der Nacht zum Sonntag.

Das Sturmsystem ist die jüngste einer ganzen Reihe von Naturkatastrophen in den USA. Die Vereinigten Staaten litten in diesem Jahr unter verheerenden Stürmen, schweren Überflutungen und grossflächigen Waldbränden. US-Präsident Joe Biden sieht in der Häufung und Heftigkeit der Katastrophen eine Folge des Klimawandels, dessen Bekämpfung er zu einer seiner Top-Prioritäten gemacht hat.

Nach den Worten des Meteorologen Marco Manitta vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach sind die Tornados in Kentucky im Zusammenhang mit einer langlebigen Superzelle - einer grossen Gewitterwolke - entstanden. In den USA gebe es für die Entstehung solcher Gewitterwolken gelegentlich günstige Bedingungen. Die aktuellen Tornados hätten eine Stärke von F4 auf der sogenannten Fujita-Skala erreicht, die die Schadensklasse angibt. Das entspreche der zweithöchsten Stufe. Bei solchen Tornados könnten auch feste Gebäude einstürzen oder stark beschädigt werden, sagte Manitta.

Notstand und Nationalgarde

Gerade in den USA, wo viele Gebäude aus Holz gebaut seien, könnten die Zerstörungen umso heftiger ausfallen. Hinzu komme, dass die Tornados über teils dicht besiedeltes Gebiet gezogen seien. Dadurch nähmen die Stürme auch mehr Trümmer auf, die dann zusätzliche Zerstörungskraft entfalten können. Tornados der Stärke F4 könnten ohne weiteres auch Autos durch die Luft wirbeln, sagte Manitta. Ein starker Unterdruck könne dafür sorgen, dass Häuser regelrecht explosionsartig zerstört werden.

Biden sagte den von den Tornados betroffenen Bundesstaaten am Samstag Hilfe zu. «Ich verspreche Ihnen, was auch immer benötigt wird, die Bundesregierung wird einen Weg finden, es zu liefern», sagte der Präsident bei einem kurzfristig anberaumten Auftritt in Wilmington (Delaware). Er stimmte am Samstag einer Notstandserklärung für den Bundesstaat Kentucky zu, der am schlimmsten von den Tornados heimgesucht wurde. Damit wird Hilfe des Bundes beschleunigt. Der Gouverneur hatte zuvor bereits den Notstand in Kentucky verhängt und die Nationalgarde aktiviert.

Biden stellte auch einen Besuch im Katastrophengebiet in Kentucky in Aussicht. Er sagte aber, er wolle damit warten, bis er die Rettungsoperationen nicht behindere. Gemeinsam mit First Lady Jill Biden bete er für die Opfer und deren Angehörigen.

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