Streit um Nord Stream 2 überschattet deutsch-amerikanischen Neuanfang
Erstmals treffen sich der US-Aussenminister Antony Blinken und sein Deutsches Pendant Heiko Mass. Konflikte um Nord Stream 2 und Afghanistan prägen das Treffen.

Das Wichtigste in Kürze
- Zwei Meinungsunterschiede sorgen vor dem ersten Treffen der Aussenminister für Wirbel.
- Die USA fordern einen schnelleren Afghanistan-Abzug und ein Absehen von Nord Stream 2.
- Deutschland wehrt sich gegen einen zu schnellen Truppenabzug.
Der Streit über die von Russland ausgehende Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 überschattet die Bemühungen um einen Neustart der deutsch-amerikanischen Beziehungen. US-Aussenminister Antony Blinken forderte am Dienstag kurz vor seinem ersten Treffen mit Bundesaussenminister Heiko Maas erneut einen Stopp des Projekts. Zudem schloss der Amerikaner nicht aus, dass weitere US-Sanktionen verhängt werden, um eine Fertigstellung von Nord Stream 2 zu verhindern.
Präsident Joe Biden habe sehr deutlich gesagt, dass er die Pipeline für eine schlechte Idee halte: schlecht für Europa und schlecht für die USA. Dies sagte Blinken in Brüssel am Rande von Beratungen der Nato-Aussenminister. Nord Stream 2 stehe im Widerspruch zu den eigenen Zielen der EU im Bereich der Energiesicherheit. Zudem habe die Pipeline das Potenzial, die Interessen enger Partner oder Verbündeter zu untergraben.
Blinken wollte nach US-Angaben am Dienstagabend nach dem ersten Tag des Nato-Aussenministertreffens zu einem Gespräch mit Maas zusammenkommen. Bislang hatten die beiden nur telefoniert und in Videokonferenzen Kontakt gehabt.
Maas äussert sich nicht zu Nord Stream
Maas wollte sich vor dem Treffen nicht zum Thema Nord Stream 2 äussern. Er bot den Vereinigten Staaten zudem einen «New Deal» an. Zu ihm sollen der gemeinsame Kampf für Demokratie und mehr deutsche Verantwortung bei der Konfliktlösung im Umfeld Europas gehören. Auch eine gemeinsame Strategie gegenüber China und Russland ist teil des Angebots.
Die Pipeline mit ihren beiden rund 1230 Kilometer langen Leitungssträngen ist bereits zu mehr als 90 Prozent fertiggestellt. Dies verleiht den Forderungen der USA zu Nord Stream 2 Brisanz. Sie soll künftig eigentlich 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr von Russland nach Deutschland befördern.

Grund der Ablehnung des Projekts ist nach Ansicht der US-Vertreter die Abhängigkeit ihrer europäischen Partner von russischem Gas. Die Vereinigten Staaten haben im Januar bereits Sanktionen gegen ein am Bau beteiligtes Unternehmen verhängt. Pipeline-Befürworter werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen.
Die Bundesregierung hat bislang eine politische Intervention zum Stopp des Projekts ausgeschlossen. In Berlin wird unter anderem argumentiert, dass eine Politik, die auf eine wirtschaftliche Isolation Russland setzt, grosse Gefahren bergen könnte. Zudem soll eine milliardenteure Bauruine vermieden werden. Nach der Fertigstellung könnte dann am Ende immer noch der Betrieb untersagt oder an Bedingungen geknüpft werden.
Streit um Truppenabzug in Afghanistan
Zusätzlichen Ärger zwischen Deutschland und den USA könnte es um die Zukunft des Nato-Einsatzes in Afghanistan geben. Maas erklärte, dass der Abzug aller Streitkräfte von den Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung abhängig sein soll: «Wir wollen nicht durch einen zu frühzeitigen Abzug aus Afghanistan riskieren, dass die Taliban zurückkehren zur Gewalt.»
Ob die USA als wichtigstes Land bei der Entscheidung über den Nato-Einsatz dies genauso sehen, ist bislang allerdings unklar. Blinken verwies in Brüssel darauf, dass der Prozess der Entscheidungsfindung in Washington noch nicht abgeschlossen sei.

Zuletzt waren noch rund 10'000 Soldaten aus Nato-Ländern und Partnernationen in Afghanistan. Sie unterstützen die demokratisch gewählte Regierung durch die Ausbildung und Beratung von Sicherheitskräften. Unter ihnen sind auch rund 1100 deutsche Soldaten. Die Bundeswehr ist bereits seit rund 19 Jahren in Afghanistan.
Maas äusserte sich am Dienstag nach den Nato-Beratungen optimistisch, dass das Thema Afghanistan nicht zu grösseren Verwerfungen führen wird. «Die Amerikaner haben sehr deutlich gemacht, dass es mit ihnen keinen überstürzten Abzug aus Afghanistan gibt» sagte er. «Sie haben deutlich gemacht, dass sie ein grosses Interesse daran haben, die nächsten Schritte sehr eng mit uns abzustimmen.»