Die US-Philosophin Judith Butler zählt zu den einflussreichsten Geschlechterforscherinnen der Welt. Vor 30 Jahren ist ihr bedeutendstes Werk auf deutsch veröffentlicht worden. Wie haben Pionierinnen wie Butler den Feminismus verändert?
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Menschen protestierten weltweit gegen sexuelle Gewalt. (Archivbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Judith Butler hat mit ihrem Buch die feministische Theorie kräftig durchgeschüttelt.

In diesem Oktober ist es 30 Jahre her, dass iauf deutsch erschienen ist. Ein Jahr zuvor hatte «Gender Trouble» bereits in den USA für Wirbel gesorgt.

Die heute noch kontrovers diskutierte US-Autorin von «Gender Trouble» («Das Unbehagen der Geschlechter») zählt zu den zentralen Figuren des Feminismus des 20. Jahrhunderts - ihr Name fällt in einem Atemzug mit Simone de Beauvoir oder Gloria Steinem.

Butler stellt in ihrem Werk das biologische Geschlecht in Frage - wie das soziale Geschlecht sei auch dies ein reines Konstrukt, mit dem die Machtverhältnisse aufrecht erhalten werden sollen. Sie knüpft an die Theorien einer anderen feministischen Ikone an, deren Schaffen oft mit einem einzigen Satz zusammengefasst wird: «Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.»

40 Jahre vor Butler hatte die Französin Simone de Beauvoir mit «Das andere Geschlecht» ihre Generation aufgewühlt. Die heute 65-jährige Butler gehört zu den Vertreterinnen der dritten Welle des Feminismus, de Beauvoir hat die zweite Welle massgeblich geprägt.

Die Frauenbewegung wird historisch in Wellen eingeteilt. Die erste Welle konzentrierte sich auf die Gleichheit von Mann und Frau und begann Mitte des 19. Jahrhunderts - eines der wichtigsten Ziele war das Frauenwahlrecht. Die Kritik an einer männerdominierten Gesellschaft war zentral für die zweite Welle Mitte des 20. Jahrhunderts. Anführerinnen in den USA waren etwa Betty Friedan oder Gloria Steinem, in Deutschland Alice Schwarzer.

In den 1990ern kam dann Butler, und Ideen des Queer-Feminismus rückten in den Vordergrund. Dabei identifizieren sich Menschen nicht mit gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität.

Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass die vierte Feminismuswelle innerhalb des vergangenen Jahrzehnts begonnen hat und besonders geprägt ist durch Mobilisierung in sozialen Medien. Oft muss sich der heutige Feminismus auch den Vorwurf anhören, eine reine Modeerscheinung zu sein - und mit Vordenkerinnen wie De Beauvoir oder Butler nicht mithalten zu können. Schon 1998 fragte das «Time Magazine»: «Ist Feminismus tot?».

«Die heftigen Reaktionen, die der moderne Feminismus bei den Anhängern männerzentristischer Weltanschauungen hervorgerufen hat, machen deutlich, dass die dritte und vierte Welle revolutionär fortschrittliche Konzepte präsentieren, die keine blossen Wiederbelebungen früherer Wellen des Feminismus sind», war in der «Harvard Political Review» zu lesen.

Waren es früher eher die Werke grosser Autorinnen, die den Feminismus prägten, sind es heute Hashtags wie #MeToo oder #Aufschrei. Es ist ein Feminismus, der vielleicht weiter verbreitet ist als je zuvor - denn das Netz ist niederschwellig. Um «ich auch» zu sagen, braucht es keine Bühne mehr, sondern einen Internetanschluss.

Doch es ist kein Protest, der ausschliesslich im Netz stattfindet. Nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten gingen Anfang 2017 weltweit Hunderttausende Menschen mit pinken Mützen auf die Strasse, um für Frauenrechte zu demonstrieren.

Eine der wohl eindrücklichsten Reden hielt damals eine Frau aus einer ganz anderen Generation - und wurde doch gefeiert wie ein Popstar: Gloria Steinem. Die heute 87-Jährige gründete in den 1970ern das feministische Magazin «Ms.» und kämpfte für das Recht auf Abtreibung. Die damaligen Erfolge sind heute wieder in Gefahr - in den USA droht aktuell ein Grundsatzurteil von 1973 zu kippen, das Abtreibungen weitgehend legalisiert.

In der vierten Welle gehe es darum, die mächtigsten Männer für ihr Verhalten zur Verantwortung zu ziehen, schreibt das Portal Vox.com. «Sie hat mit einer radikalen Kritik an den Machtsystemen begonnen, die es Übergriffigen erlauben, sich ungestraft an Frauen zu vergreifen.» Im Jahr 2015 stellte das Online-Frauenmagazin «Bustle» klar: Die vierte Feminismus-Welle ist queer, sex-positiv, trans*-inklusiv und noch vieles mehr.

Und damit kommen wir zurück zu Judith Butler - denn ohne sie wäre dieses Verständnis von Feminismus wohl schwer denkbar - genauso wie ein Studienfach wie Gender Studies.

Geschlechterforschung, so schreibt Butler in einem gerade erst in «The Guardian» erschienenen Text, leugne nicht per se das Geschlecht. Trotzdem werde diese Wissenschaft von einigen wie ein Dogma bekämpft - Gender sei für manche gar eine «teuflische Ideologie». Das Hauptziel dieser Gegner sei es, fortschrittliche Gesetze, welche etwa die feministische Bewegung hervorgebracht habe, rückgängig zu machen.

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